Graeter bei Blomberg: "Setzen, Sex!"
"Na, Du München!“ im Residenztheater: Blomberg lud unseren „Klatsch-Papst“ Michael Graeter ein und verzettelte sich theatralisch. Graeter rettete. Die Bilder vom wild-amüsanten Abend
München - Nachts, Residenztheater, die Bell’ Etage mit schöner Aussicht auf den Max-Joseph-Platz und einen Abend, angekündigt als „Katharsis und Chaos“. Die Weltstadt mit Nerz (Graeter über München) ist da, aber auch Patchwork-Design-Intellektuelle, von Nagellack-und-Lederhaut-Hundert bis Theaterdunst-Schnupper-Twens – ein Traumpublikum ringt um die feuerpolizeilich limitierten Karten.
Sebastian Blomberg raucht im weißen Maler-Klecksel-Anzug, Maskottchen-Loriot-Mops Rosi, hier „Resi“ genannt, ist ruhig gestellt, Blomberg holt aus dem Retro-Eisschrank das Kir-Royal-Tablett („Mit Champagner! Nicht Sekt“, wie Graeter seinen Ex-Provinzstadt-Gastgeber gleich mal berichtigen muss). Der Bergisch-Gladbacher Westentaschen-Kinski will im aussichtslosen Selbstversuch seine neue Theaterheimat München ergründen.
Blomberg sucht erst einmal väterlichen Rat und outet seinen erotischen Triumph bei Maria Schrader. Höflich bescheinigt ihm Graeter Promi-Potenzial. Denn wer schaffe es schon, bei Dreharbeiten eines Flop-Films („Väter“) – anfangs unbemerkt – gleichzeitig dem Mann (Rainer Kaufmann) und dem Regisseur (Dani Levy) die Hauptdarstellerin auszuspannen? Da klang beim Verbal-Erotomanen und Konservativ-Sexisten Graeter fast ein wenig Neid in der Stimme mit.
Aber wie beim Psychologen beklagt Blomberg , er habe darunter gelitten, wenn auf Roten Teppichen immer die demütigende Frage aufkam, wer denn der Herr neben der Schrader sei? „Tiefstapeln und sich als Fahrer ausgeben. Bis man selbst ganz oben ist“, rät Graeter. Bange Frage Blomberg: Und wie lange dauert das mit dem super-prominent Werden? „Neun Jahre. Aber weil Sie ja schon länger dran arbeiten, nur noch sieben.“
Aber wer darf die Klatschspalten füllen? Dias werden im Schnelldurchlauf auf ein aufgespanntes Laken projiziert. Graeter soll eine Blitz-Kategorisierung nach alphabetischem US-Schulbenotungs-System abgeben: Charles Schumann rutscht als „Domina des Gastgewerbes, dessen Gäste Masochisten sein müssen“, in Kategorie D. Blomberg bohrt nach: „So streng? Vielleicht, weil Sie dort Hausverbot haben?“ Graeter grinste eine Antwort einfach weg.
Uschi Glas (A-Promi) kommt gut weg, auch im Vergleich zum danebenstehenden Sohn, Ben Tewaag. Resi-Intendanten Martin Kušej vor Salzburg-Kulisse erkennt Graeter erst, als Blomberg ihm ironisch „mein Chef“ zuzischt.
Die Überleitung zu Graeters unrühmlicher Landsberger Haftzeit (natürlich „unschuldig“) lieferte ein Dia Hitlers in der dortigen Zelle. Graeter lässt keine Romantisierung des Stumpfsinns von Inhaftierungszeiten zu. Man habe ihm wertvolle „Restlaufzeit“ seines Lebens gestohlen. Immerhin ist dabei ein Buch entstanden, das Gegenteil von einem „Mein Kampf“, wie sich schnell spüren lässt, als Blomberg genüsslich eine Sex-Szene Graeters mit einem Hollywoodstar im Vier Jahreszeiten vorliest: ein Weichzeichner-Softporno mit potenter Selbstironie. Das Publikum klatscht klatschsüchtig. Bisher noch völlig unbehandelt das Thema des Abends: „München“ – bis auf Anspielungen auf Graeters Münchner Tarnadressen, die aber kein Nichteingeweihter kapieren kann.
Stattdessen geht’s weiter nach Monaco mit der Frage nach Graeters „Caroline“-Coup. Er hatte im Flugzeug die Prinzessin als erster mit dem Hannoveraner gesehen. Graeter nutzt den Volltreffer für die nostalgische Erkenntnis, dass Printmedien ihren „Lohnschreibern“ heute keine Erste-Klasse-Tickets mehr zahlen. „Dann gibt’s halt nur noch Holz-Klasse-Geschichten, oder man ,wulfft’ halt mehr.“
Das wäre das Stichwort gewesen, um über sumpfige Untiefen von Freundschaft, Zuträgertum, Verrat, Nähe und die Münchner Bussi-Bussi- und Spezlwirtschaft zu reden, mit Graeter im Mittelpunkt, auch der Strauß-Camarilla.
Blomberg spielt auch prompt Mario Adorfs Kir-Royal-Paradesatz „Ich scheiß Dich zu mit meinem Geld“ vom Band ein und fragt den „Klatsch-Papst“ nach der Flick-Freundschaft und dem Blut-Geld-Imperium auf Zwangsarbeiter-Basis. Graeter lässt sich nicht provozieren, die Gespenster der Vergangenheit verschwinden gleich wieder, Blombergs Themen-Flickschusterei geht weiter. Aber im Programmheft des Residenztheaters versprach Blomberg ja von vornherein „aussichtslose Gespräche“. Und so bekam man halt eher eine bizarre Performance als eine Erkenntnis-Diskussion.
Dazu gehörte auch die Kapelle, die live mit dem Kir-Royal-Thema einmarschiert war, angekündigt als Landsberger Gefängnis-Band, aber dafür dann doch zu weiblich besetzt. Blomberg forderte Graeter auf („Ich hab’s befürchtet, ich bin die Dame“). Dabei tanzt Graeter grundsätzlich nicht („Ich brauch’ die Energie ja nachts meist noch für was anderes“). Aber auch das schaukelte Graeter mit Blomberg bühnenreif durch.
Am Ende intonierte die Band „Je t’aime“, Serge Gainsbourgs Stöhn-Ballade, als Anspielung auf die Gunter-Sachs-Brigitte-Bardot-Romanze, die Graeters „Chronistenpflicht“ lange Jahre herausgefordert hatte. Dazu presste sich Blomberg an die Armlehne von Graeters Ohrensessel, um das Textblatt für beide gemeinsam zu halten. Ein grotesker Schluss, weil Graeter grundsätzlich auch nicht singt.
Unter Applaus gelang es Graeter in all dem Anriss-Klamauk immer Würde zu wahren, das Gespräch zunehmend aus dem Dauer-Chaos zu lenken. Das alles hatte Größe. Die hatten ihm per eingeblendeter Amateur-Video-Botschaft auch AZ-Kollegen bescheinigt.
Und Blomberg? Um bei dessen Benotungs-Spiel zu bleiben: Themaverfehlung! Deshalb: Setzen, Sex? Nein, denn dafür war der Abend doch viel zu skurril und amüsant.