Grabenkämpfe und Saalschlacht
Der Dirigent über seine Marstall-Skepsis und den „Rosenkavalier“ in Baden-Baden
Vor Jahren spielten sie regelmäßig bei den Festspielen im Nationaltheater. Dann folgte eine längere Opernabstinenz der Münchner Philharmoniker, die erst mit konzertanten Aufführungen unter James Levine endete. Nun sitzt das Orchester in Baden-Baden für den „Rosenkavalier“ wieder im Graben.
AZ: Herr Thielemann, warum tut Oper dem Orchester gut?
CHRISTIAN THIELEMANN: Strauss macht einfach Spaß. Natürlich besteht am Anfang ein höherer Probenbedarf als bei einem Opernorchester. Aber die Frische und Entdeckungsfreude der Musiker hat einen eigenen Reiz. Das ist die gleiche Erfahrung, die auch Karajan mit seinen Berlinern bei den Osterfestspielen in Salzburg gemacht hat.
Stört Sie Wernickes alte Inszenierung nicht?
Nein. Was heißt alt? Diese wunderbare Produktion war 1995 in Salzburg und später in Paris ein Riesenerfolg. Für uns ist das auch eine Hommage an den 2002 verstorbenen Regisseur. Renée Fleming hat ihre Marschallin in Paris noch mit Wernicke geprobt.
Warum spielen Sie das Werk in München konzertant auch mit den Theater-Strichen?
Wir machen die Sprünge, die auch Strauss gebilligt hat. Die meisten Sänger können die ungekürzte Version nicht, weil sie nie verlangt wird. Aber interessant wäre sie schon.
Ist das Stück nicht zu heiter für den ernsten Thielemann?
Wenn ihr doch bloß mal von diesen Klischees wegkämt! Früher habe ich sogar Operette dirigiert. Ich freue mich rasend auf den „Rosenkavalier“. Er war mein Debüt an der New Yorker Met, auch in Covent Garden und anderswo habe ich ihn schon dirigiert.
Ärgert Sie, dass Ihr Orchester im Ranking von „Gramophone“ nicht vorkommt?
Ich gebe nichts auf solche Listen, weil ich weiß, wie sie zustande kommen.
Auf der neuen Strauss-Platte der Philharmoniker mit Renée Fleming nahm ich viel Schönes wahr, das mir beim Konzert im Gasteig entging.
Auch bei Beethovens Neunter haben manche den Tenor gehört, andere wieder nicht. Von den Schlössern über die Museen und Theater ist in München alles von bester Qualität – außer dem Konzertsaal. Als Zugereister appelliere ich an den Stadtstolz. Die Hamburger schaffen das doch auch. Wir brauchen einen Konzertsaal, mit dem alle glücklich sind. Dafür sollten alle Kräfte gebündelt werden.
Empfangen Sie Signale für einen Gasteig-Umbau?
Wir sind immer am Reden und es ist manches in Bewegung, was aber noch nicht reif für die Öffentlichkeit ist.
Ministerpräsident Seehofer hat sich überraschend deutlich für einen neuen Saal im Marstall ausgesprochen.
Ich frage mich nur: Was wird dann aus der Philharmonie und dem Herkulessaal? 1800 Plätze wie nach der bisherigen Planung für den Marstall sind zu wenig. Man sollte die Kräfte bündeln: Eigentlich reicht ein großer Saal für München, den Staat und Stadt gemeinsam anpacken sollten.
Viele Münchner fragen sich, warum Sie nicht Pfitzners „Palestrina“ in der Staatsoper dirigiert haben.
Nikolaus Bachler hat mich gefragt, und es hätte mich auch interessiert. Der Baden-Badener „Rosenkavalier“ stand jedoch schon fest, und beides ging nicht. Aber ich werde mir die Aufführung ansehen.
Robert Braunmüller
Festspielhaus Baden-Baden, 25., 28., 31. 1. Der konzertante „Rosenkavalier“ im Gasteig am 6. 2. ist ausverkauft. Die CD „Vier letzte Lieder“ bei Decca