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Zwei neue Bücher, ein Thema: „Die Bibel irrt“ und „Die Bibel eine Biografie“
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Zwei neue Bücher, ein Thema: „Die Bibel irrt“ und „Die Bibel eine Biografie“

Jeder Haushalt mit mehr als zwei Büchern hat garantiert Werner Kellers „Und die Bibel hat doch recht" im Regal stehen. Der in 20 Sprachen übersetzte und bis heute immer wieder neu aufgelegte Bestseller gab 1955 einen populären Überblick über die Ergebnisse der Bibel-Archäologie. Seitdem wurde munter weitergegraben.

Christian Schüles „Die Bibel irrt" informiert über den aktuellen Sachstand (Rowohlt, 256 S., 19.95 Euro). Der Umschlag tönt wie die Posaunen vor Jericho, obwohl der Inhalt betont sachlich gehalten ist. Er bezieht sich auf die derzeitige Mehrheitsmeinung der Forscher: Die Könige Saul, David und Salomo waren so historisch sind wie die vor Troja kämpfenden Helden. Ihr von der Bibel behauptetes Imperium dürfte eine nachträglich gestiftete Tradition sein, erfunden um 600 vor Jesus Christus. Damals setzte König Josia den Glauben an den einen Gott Jahwe durch, ehe die Babylonier sein Reich hinwegfegten und die Bewohner deportierten. Einer der besten Belege ist die unhistorische Bewaffnung des Riesen Goliath: Der biblische Autor dieser Geschichte beschreibt keinen alten Philister, sondern einen griechischen Hopliten der Zeit um 500 vor Jesus Christus. Schüles Recherche zu diesem und neun anderen biblischen Mythen verdichtet nicht nur hundert Fachartikel zu einem flott geschriebenen Band. Es ist darüber hinaus eine Reisereportage durch den Nahen Osten. Leider gönnt der Verlag dem Leser weder Bilder noch eine Karte.

Die perfekte Ergänzung dazu bildet Martin Urbans „Die Bibel. Eine Biographie" (Galiani, 383 S., 22.95 Euro). Der langjährige Wissenschaftsredakteur der SZ hat verständlich aufbereitet, was Forscher in den letzten 200 Jahren über die Entstehung des Buchs der Bücher herausgefunden haben. Jeder kennt den am Ende jeder Messe gesprochene Segen: „Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht leuchten". Aber wer weiß schon, dass er aus einer Zeit stammt, als Jahwe noch ein lokaler Sonnengott war? Urban behandelt neben dem Alten auch das Neue Testament. Akribisch und unterhaltsam schildert er, wie heilige Texte gewogen, teilweise als zu leicht befunden und aus dem Kanon ausgeschlossen wurden. Der antiklerikale Unterton des Buchs ist allerdings ein wenig wohlfeil und über den Wert mancher Aufführungen zur unter Wissenschaftsjournalisten ungemein beliebten Hirnforschung ließe ebenfalls streiten.

Dennoch ist das Buch eine Leistung: Er bereitet auf, was alle Theologen wissen, unter Laien aber kaum bekannt ist. Die Bibel mag das Wort Gottes enthalten, ihre Redaktion aber war fast drei Jahrtausende lang ein allzu menschliches Werk.

Robert Braunmüller

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