Gnadenloser Sieger

Matteo Garrone dominiert mit „Gomorrha“ den Europäischen Filmpreis
von  Abendzeitung

Matteo Garrone dominiert mit „Gomorrha“ den Europäischen Filmpreis

Der große Glanz wollte sich am Samstag nicht entfalten, zu spärlich waren die Stars des europäischen Kinos zum Filmpreis nach Kopenhagen gereist. Doch passte der skandinavisch-nüchterne Rahmen ohnehin besser zum Realismus des Abräumers: Gleich fünf Trophäen gewann Matteo Garrones Film „Gomorrha“, ein düsteres Röntgenbild der neapolitanischen Camorra nach dem Bestseller des italienischen Journalisten Roberto Saviano, der auch am – ebenfalls ausgezeichneten – Drehbuch mitwirkte.

So eindrucksvoll haben sich die Juroren selten für ein Werk entschieden, doch der italienische Erfolg hat zwei Seiten. Toni Servillo, der als bester Schauspieler für „Gomorrha und „Il Divo“ ausgezeichnet wurde, verkörpert im letzteren den siebenfachen italienischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti, dem jahrzehntelange Verbindungen zum organisierten Verbrechen nachgesagt werden.

Die Mafia bringt Raubkopien

Garrone bedauerte in seiner Dankesrede, dass der von der Camorra verfolgte Roberto Saviano aus Sicherheitsgründen an der Zeremonie nicht teilnehmen könne. „Wir wollen allen zeigen, was in unserem Land geschieht“, erklärte der Regisseur. „Es ist ein gefährlicher Film über Menschen, die in den Wirren eines Krieges leben und überleben müssen.“ Mit den fünf Auszeichnungen vom Samstag ist der formal höchst ungewöhnliche Mafia-Film aus europäischer Sicht heißester Anwärter auf den Oscar für den besten, nicht englischsprachigen Film.

Auch die Camorra selbst hat die (ökonomische) Attraktivität des Filmes erkannt und zehntausende von in China gefertigten Raubkopien des Film vor dem offiziellen DVD-Starts an die neapolitanischen Kioske gebracht.

Glücklos blieb diesmal der deutsche Film, dessen Hoffnungen – nach zahlreichen Erfolgen in den letzten Jahren – allein auf Ursula Werner, Hauptdarstellerin aus Andreas Dresens „Wolke 9", ruhten. Sie aber musste sich in der Konkurrenz um den Preis als beste Schauspielerin Kristin Scott Thomas geschlagen geben, die für ihre Rolle in „Il Y A Longtemps Que Je T'Aime" geehrt wurde.

Glückloser deutscher Film

Die britische Schauspielerin Judi Dench erhielt einen Ehrenpreis für ihr Lebenswerk. Ebenfalls einen Ehrenpreis bekamen die Lokalmatadoren, die dänischen Regisseure Lars von Trier, Thomas Vinterberg, Søren Krag Jacobsen und Kristian Levring für ihr filmisch so fruchtbares „Dogma"-Manifest aus dem Jahr 1995.

Den Publikumspreis bei der 21. Verleihung der europäischen Filmpreise bekam „Harry Potter und der Orden des Phönix". Der Film von Regisseur David Yates war die fünfte Verfilmung der Potter-Romane von Joanne K. Rowling.

Die wichtigsten Kategorien Bester Film: „Gomorrha“ von Matteo Garrone / Bester Regisseur: Matteo Garrone für „Gomorrha“ / Beste Schauspielerin: Kristin Scott Thomas („So viele Jahre liebe ich Dich“) / Bester Schauspieler: Toni Servillo („Gomorrha“, „Il Divo / Der Star“) / Lebenswerk: Judi Dench / Bestes Drehbuch: u.a. Ugo Chiti, Gianni di Gregorio, Matteo Garrone, Massimo Gaudioso und Roberto Saviano für „Gomorrha“ / Beste Kamera: Marco Onorato für „Gomorrha“ Entdeckung: „Hunger“ von Steve McQueen

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