Glück ohne Bauchansatz

Mit seiner All Starr Band liefert Ex-Beatle Ringo im proppevollen Circus Krone ein denkwürdiges Konzert voller Nostalgie
von  Nicola Bardola

Ganz in Schwarz steht der 71-jährige Richard Starkey breitbeinig am Bühnenrand: topfit und ohne den Hauch eines Bauchansatzes wiegt er sich im Rhythmus seiner ersten, von George Harrison komponierten Solo-Single von 1971 „It Don’t Come Easy”. So beginnt ein denkwürdiges Nostalgie-Konzert der Extraklasse von Ringo Starr mit seiner All Starr Band. Wann wird München wieder in den Genuss von so erdigem und geschichtsträchtigem Rock’n’Roll kommen?

Seit 20 Jahren hat der Vegetarier Ringo Starr keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt. Seit 30 Jahren ist er mit Barbara verheiratet, und seit über 55 Jahren ist er dann am glücklichsten, wenn er einen Rhythmus klopfen darf. Seine Saufkumpane aus den frühen 1970er Jahren Harry Nilsson, Keith Moon oder Jesse Ed Davis sind längst tot. Aber Ringo rockt heute wie eben aus dem Jungbrunnen gestiegen.

Wo Ringo sitzt, sitzt der Beat

Vor dem zweiten Song erinnert er das Publikum im restlos ausverkauften Circus Krone daran, dass es lange her ist, seit er das letzte Mal in München gespielt hat. Einige Arme gehen hoch, als „The Fab Fourth” fragt, wer damals schon da war. 1966 trommelte Ringo im Circus Krone „mit dieser anderen Band”, wie er sie heute umschreibt. Die Beatles nennt Ringo nicht beim Namen, dafür Rory Storm & The Hurricanes, mit denen er Anfang der 1960er noch vor den Beatles „Boys” sang. Beim dritten Song der Show „Choose Love” verlässt Ringo mitten im Lied den Bühnenrand und steigt erstmals endlich hoch zu seinem alles überragenden Schlagzeug. Und wo Ringo sitzt, sitzt der Beat.

Von dort aus trommelt er gemeinsam mit dem fast 20 Jahre jüngeren Gregg Bissonette. Knappe zwei Stunden lang sorgen die beiden für einen von wuchtigen Drums getriebenen Sound. Er dient als Teppich für Ringo-Klassiker wie „Back Off Boogaloo” oder „Photograph” und für Beatles-Hits wie „Yellow Submarine”. Leider spielt er nur zwei Titel aus seinem glänzenden neuen Album „Y Not”: „The other side of Liverpool is cold and damp / Only way outh of there / drums, guitar and amp”, erinnert sich Ringo an seine Jugend.

Bescheiden und liebenswert

Aus dem Publikum schallt es immer wieder: „Ringo!” und von der Bühne kommt es ironisch zurück: „What's wrong with you? You know my name. I know my name.” Ringo steht im Mittelpunkt, auch wenn seine All Starrs ihre Hits präsentieren.

Ex McCoys Gitarrist Rick Derringer singt „Hang On Sloopy”, den Song, der 1965 Paul McCartneys "Yesterday" von Platz eins der US-Charts fegte. Edgar Winter rockt mit umgehängtem Keyboard durch seine „Free Ride”. Gary Wright parliert ausgezeichnet Deutsch und bringt München mit „Dream Weaver” sprichwörtlich zum Träumen. Mit Wally Palmar und Richard Page gelangt die Nostalgiewelle bis in die 1980er Jahre. Und oben thront schmunzelnd der bescheidene und liebenswerte Ringo, über den schon Peter Handke 1966 in seiner „Publikumsbeschimpfung” schrieb: „In dem ersten Beatles-Film Ringo Starrs Lächeln ansehen, in dem Augenblick, da er, nachdem er von den andern gehänselt worden ist, sich an das Schlagzeug setzt und zu trommeln beginnt.”

Das Glück des großnasigen Trommlers scheint sich bis heute auf seine Fans zu übertragen. Den Abschluss des Konzerts bildet Lennons „Give Peace a Chance” von 1969, die erste Solo-Single eines Beatle überhaupt. Schon davor hatte es niemanden mehr auf den Sitzen gehalten. Jetzt schaukeln alle – Kinder, Erwachsene, Senioren – selig im Rhythmus der unsterblichen Friedenshymne.

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