Getanzter Großstadt-Zirkus
Choreograf Wim Vandekeybus mit seiner Compagnie Ultima Vez zeigt in traumschönen Bildern zehn vereinzelte Großstadtmenschen und ihre Sehnsüchte.
Mensch sein, das wollen wir alle. Doch dazu braucht man andere Menschen, die uns wahrnehmen und reagieren. In seinem jüngsten Tanztheaterstück „Menske“ zeigt der belgische Choreograf Wim Vandekeybus mit seiner Compagnie Ultima Vez in traumschönen Bildern zehn vereinzelte Großstadtmenschen und ihre Sehnsüchte. Viel Jubel für das Gastspiel mit zirzensischen Effekten in der vollen Muffathalle.
Frühes Morgenlicht in der Großstadt, Nebel über Stromkabeln. Einer kritzelt eilig Parolen auf Wände, ein anderer wischt sie ebenso schnell wieder weg. Seile spannen sich, an deren Enden sich Menschen mit aller Gewalt fast waagrecht gegen die Zugkraft stemmen. Jeder zieht am eignen Strang – und im Knotenpunkt kann man Gefahr laufen, erwürgt zu werden.
Ein Telefonmast verführt zum Klettern, drumherum häuft sich eine Mülldeponie. Der Mann am Tischchen einer Schaltzentrale spricht über seinen Ex-Geliebten, eine Frau über Sex und nochmal Sex, dazwischen verkauft sie ein City-Marina-Projekt. Ein Mann trägt einen Müllsack mit sich, den ihm ein Mädchen stibitzt und ihn lolitahaft damit lockt.
Nur scheinbar zufällig, wie im Flug des Tanzes, ergeben sich schnelllebige Kontakte zwischen den Einzelkämpfern – kaftvoll-dynamische Pas de deux in wechselnden Paarungen. Plötzlich finden sich alle – mit einer verblüffenden Bildwirkung der Stellwände – in der Psychiatrie wieder, bei seltsamen, grotesken Spielritualen. Von da führt der Weg direkt in eine Western-Scheinwelt. In einem hochkomischen Showdown tragen Männer die Frauen huckepack wie Waffen: Beine werden zu Gewehren, Arme zu Messern.
Zur hervorragenden Musik des Popkünstlers Daan erfindet sich Vandekeybus’ Welt jeden Tag neu – und seine Tänzer-Artisten begegnen ihr mit Grandezza.Gabriella Lorenz
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