Gesichter des Bob Dylan

»I’m Not There«: Ein fantastisches Spielfilmporträt von Todd Haynes über die lebende Songpoeten-Legende Bob Dylan.
von  Abendzeitung

»I’m Not There«: Ein fantastisches Spielfilmporträt von Todd Haynes über die lebende Songpoeten-Legende Bob Dylan.

Kennen sie das frühe Jazzgitarren-Genie Emmet Ray? Woody Allen hat ihm 1999 mit „Sweet and Lowdown“ ein Denkmal gesetzt, Szenen seines Lebens von Sean Penn nachspielen und Experten zu Wort kommen lassen. Nur: Emmet Ray gab es gar nicht. Der Film war ein witziges Spiel mit dem Zuschauer, eine Hommage an ein Phantom, das man am Ende zu kennen glaubte. Todd Haynes hat dieses Spiel noch viel weiter gedreht. Nur: Sein Phantom ist die lebende Songpoeten-Legende Bob Dylan.

„I’m Not There“ ist eine überbordende Mischung einer Unmöglichkeit aus gespielter Dokumentation und fiktivem Porträt. So kommt Haynes der Figur Dylan nicht durch Realismus nahe, sondern durch Einfühlung in dessen multiple Persönlichkeit und Selbsterfindung. Nach kurzer Zeit akzeptiert man, dass Dylan, ohne je im Film so zu heißen, von sechs Schauspielern verkörpert wird – darunter einem 13-jährigen schwarzen Jungen (Marcus Carl Franklin), der Dylan die deklassierte Südstaatenfärbung und Protest-Authentizität geben soll, die das jüdische Bürgerssöhnchen aus dem nördlichen Minnesota nicht hatte, aber immer gerne gehabt hätte.

Man lernt Bob Dylan auch als gescheiterten Beziehungsmenschen kennen (gespielt vom verstorbenen Heath Ledger) oder als Aussteiger-Indianer (Richard Gere). Dem Original am Nächsten kommt witzigerweise Cate Blanchett als drogenbenebelte, hyperintellektuelle, narzistische Strubbelkatze in den rebellischen späten 60er Jahren.

„I’m Not There“ hat Todd Haynes diesen exzentrischen Biografie-Film genannt und so eingeräumt, dass Bob Dylan letztlich nicht zu greifen ist. Wo immer wir dieses lebende Objekt in unserer zeit- und musikgeschichtlichen Erinnerung verorten, Dylan entzieht sich im Film wie im wirklichen Leben als ewig Tourender, sich selbst Variierender und oft Unzeitgemäßer.

Das erinnert auch an den Vagabunden-Titel von Scorseses Dokumentarfilm „No Direction Home“, den Versuch, mit Originalaufnahmen und Zeitzeugen Bob Dylan nahezukommen. Dort kann man auch die Erzählungen der Wegbereiterin und Gefährtin Joan Baez sehen und sie dann im Haynes-Film in einer witzigen Carmouflage wieder entdecken, wie sie ihren Nachwuchs-Barden protegiert, der dann auf dem Festival in Newport 1965 mit dem Folk bricht und einem überforderten Publikum Rock präsentiert. Die Musik in „I’m Not There“ haben neben Dylan selbst in interessanten Coverversionen unter anderen Willie Nelson, Cat Power oder Jack Johnson beigesteuert.

So ist es Todd Haynes mit seiner amüsanten, künstlerisch erfrischend verrückten neuen Form gelungen, Bob Dylan frei und gerade dadurch so passend zu porträtieren.

Adrian Prechtel

Kino: Atelier (OmU),

Cinema (OV), Eldorado,

R & B: Todd Haynes K: Edward Lachman (USA, 135 Min.)

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