George Michaels Weichheit ohne Biss
Spätherbstlicher Kuschelrock in der so gut wie ausverkauften Olympiahalle, so wohltuend wie ein Vanille-Tee: George Michael lädt zur „Symphonica”, meint damit aber sein persönliches Songbook, die Hits anderer Künstler, die seine Karriere und sein Leben begleitet und beeinflusst haben. Viel Gefühl, oft an der Grenze zum Schmalz, aber immer perfekt umgesetzt.
Die ersten paar Takte des Openers „Through" singt er noch hinter dem geschlossenen bombastischen Vorhang, dann erst zeigt er sich seinen Fans. Die Haare kürzer denn je, Sonnenbrille, und ein schlichter aber dennoch eleganter Anzug. Einer Diva gleich schält er sich aus der Mitte eines Klassikorchesters und zelebriert große Gesten und noch größere Melodien. „True Faith” ist dabei von New Order, die Anti-Amerika-Hymne „Going To A Town” von Rufus Wainright, Titel von Elton John, Nina Simone und vielen mehr.
Doch spätestens bei „Roxanne” von Sting wird klar, dass hier doch irgendetwas fehlt, nämlich der Rhythmus, die treibende Kraft.
Mag Michaels Bariton noch so perfekt den Raum füllen – Rocknummern brauchen halt einfach einen gewissen Drive. Und den kann man durch Virtuosität nicht ersetzen. Alles wird eingebettet in verträumte Arrangements zwischen Schlager und großer Oper, garniert mit fantastischen und noch nie gesehenen Video-Kunststücken, und das kann man mögen oder auch nicht.
Bis eigene Klassiker wie „Amazing Freedom” und „I’m Your Man” kommen, müssen die Fans ganz schön lange warten, werden aber zwischenzeitlich durch den fantastischen Song „Love’s A Losing Game” für die verstorbene Amy Winehouse mehr als entschädigt.
Und mag George Michael streckenweise doch zu soft gewesen sein – das Gefühl, hier einen der letzten großen Entertainer live erleben zu können, gab dem Abend doch so etwas wie Magie.