Georg Gänswein stellt Peter Seewalds Papst-Buch vor

Der Papst-Sekretär Georg Gänswein stellte im Literaturhaus Peter Seewalds Interview-Band „Benedikt XVI. – Letzte Gespräche“ vor
Robert Braunmüller |
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In zweifelloser Mission: Kurienerzbischof Georg Gänswein (links), Journalist Peter Seewald mit Benedikt XVI. auf dem Buchtitel im Literaturhaus.
dpa In zweifelloser Mission: Kurienerzbischof Georg Gänswein (links), Journalist Peter Seewald mit Benedikt XVI. auf dem Buchtitel im Literaturhaus.

"Mehr Licht“, soll Johann Wolfgang von Goethe am Ende seiner Tage gefordert haben. Letzte Worte umgibt der Nimbus höherer Wahrheiten. Und große Musiker wie Bach, Beethoven oder Bruckner sprechen von letzten Dingen. Und selbst das lässt sich verlegerisch noch toppen, wenn der emeritierte Arbeiter im Weinberg des Herrn die Früchte seines Lebens abwägt.

Joseph Ratzinger ist mittlerweile zwar 89 Jahre alt und gebrechlich. Aber ist es wirklich schon Zeit für Abschiedsworte? Im Kopf sei er erstaunlich rüstig, berichtete sein Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein bei der Vorstellung des Bandes „Benedikt XVI. – Letzte Gespräche“ von Peter Seewald. Er arbeite trotz einer Erblindung des linken Auges jede Woche eine Predigt aus, die er vor vier bis acht Kirchenbesuchern am Sonntag halte. Außerdem erfreue sich der Papst a.D. mit Hilfe eines Rollators an den Vatikanischen Gärten und verfolge das Weltgeschehen über die Abendnachrichten im italienischen Fernsehen.

Der Teppichboden im Vatikan

Der Buchtitel „Letzte Gespräche“ spekuliert unverhohlen mit der Aura letzter Worte. Wer aber Aufschlüsse über die Wahl und den Rücktritt des Papstes erwartet, wird enttäuscht werden. Die von Seewald als Recherche für eine noch zu schreibende Biografie des Papstes geführten Interviews enthalten kaum neue Informationen, fassen allerdings Bekanntes elegant zusammen.

Ratzinger kokettiert damit, er habe nach dem Tod von Johannes Paul II. sein Amt als Präfekt der Glaubenskongregation aufgeben und nur noch Bücher schreiben wollen. Er habe auch nicht damit gerechnet, dass er mit seinen damals 78 Jahren als Kandidat in Frage käme. Ratzinger nahm er die Wahl an, obwohl sich wie unter der Guillotine fühlte: „Irgendwie wusste ich dann einfach, ich darf nicht nein sagen.“ Und einen Papstnamen hatte er sich im Lauf der Wahlgänge auch schon überlegt.
Solche Widersprüche müsste man mit einer Nachfrage klären. Aber Seewald hört leider nur bewundernd zu. Es sei ohnehin kein Buch für Journalisten, so der Autor, sondern eines für Gläubige und „einfache Menschen“. Deshalb lässt er es lieber banal menscheln: Benedikt XVI., so erfährt man, habe im Papstpalast die Teppichböden seines Vorgängers herausreißen lassen: „Ein Boden ist ein Boden und ein Teppich ist ein Teppich. Aber es war ohnehin vorgesehen, dass neu getüncht wird, da war länger nichts mehr geschehen.“

So viel zum Prunk der Hofhaltung im Vatikan, die dem barocken Münchner Kardinal Reinhard Marx aufgestoßen ist. „Wir haben immer sehr einfach gelebt“, so Ratzinger. Was man dem Theologieprofessor auf dem Papstthron ohne weiteres abnimmt. Aber es geht nicht ohne Seitenhieb auf unbescheidene, bisweilen sogar aufsässige Arbeitnehmer ab: Ratzinger kritisiert den „etablierten und hochbezahlten Katholizismus“ in Deutschland, dessen Angestellte die Kirche als Arbeitgeber verstehen und ihr mit einer „Gewerkschaftsmentalität“ gegenübertreten.

Etwa die Hälfte der Gespräche mit Seewald umkreist Ratzingers akademische Karriere in Freising, Bonn, Münster und Tübingen. Das sind Interna für Feinschmecker, und die meisten Namen dürften Kirchgängern unbekannt sein. Die Konfrontation mit Hans Küng wird heruntergespielt. Der Theologe Karl Rahner und der Philosoph Ernst Bloch haben Kurzauftritte als Schwafler und Angeber. Jürgen Habermas hat dem emeritierten Papst übrigens einmal eine Postkarte geschickt.
Ratzingers Fundamentalkritik an der „Diktatur des Relativismus“, dem Materialismus und der säkularisierten Moderne bleibt weitgehend ausgespart, die kirchliche Antwort auf diese Herausforderung ebenfalls.

Putin sorgt sich um die Moral

Zu seinem Pontifikat verbreiten die „Letzten Gespräche“ naturgemäß einen gehörigen Schwall benebelnden und vernebelnden Pontifikalweihrauchs. Mit ein bisschen Selbstkritik von der Art, dass Menschenkenntnis leider nicht seine Stärke sei.
Dafür liefert er gleich ein Beispiel, wenn er Wladimir Putin als einen Politiker charakterisiert, der an der Zerstörung der „Moral“ in Russland leidet: „Der Mensch braucht Gott, das sieht er ganz evident, und davon ist er sicherlich auch innerlich berührt.“

Wie steht es um die Bilanz, etwa bei der lahmenden Ökumene? Da sei die „innere Uneinigkeit“ der Protestanten das eigentliche Problem. Die Vatikan-Bank? „Das geht nicht so schnell, weil man sich selber einarbeiten muss.“ Die Pädophilie-Affäre? „Die Prozesse ziehen sich endlos hin, und wenn ich nach zehn Jahren dann mal strafen kann, dann ist es einfach zu spät“. Der Skandal um die Rehabilitation des antisemitischen Piusbruders Richard Williamson? Benedikt schiebt jede Verantwortung von sich: „Ich sehe die Schuld nur bei dieser Kommission.“

Überhaupt: Als Papst ist man machtlos und leidet – wie die deutschen Neu-Rechten – unter der Diktatur der Political Correctness. Der byzantinische Kaiser Manuel II. Palaiologos habe im Mittelalter Dinge über den Islam ausgesprochen, „die man heute nicht mehr sagen dürfte“. Und Gänswein legte bei der Buchpräsentation seltsam raunend nach: Heute sei nicht nur der zehnte Jahrestag der Regensburger Rede, sondern auch das Fest Mariä Namen, mit dem die Kirche den Sieg der christlichen Heere über die Türken vor Wien anno 1683 feiert.

Da hält man es dann lieber mit seinem Chef. Der, und das ist der größte Vorzug dieses elegant geschriebenen Buches, wirkt frei von jeder Bitterkeit, heiter und freundlich, wie es nicht jedem alten Menschen gegeben ist. Und wenn Ratzinger am Ende versucht, das Wesen Gottes zu fassen, gibt es doch eine Ahnung dessen, was „Letzte Gespräche“ sein könnten. 

„Benedikt XVI. – Letzte Gespräche“. Mit Peter Seewald. 286 S., 19,99 Euro, Droemer Verlag

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