Gegen Versteinerung

Einspringer Michael Sanderling dirigiert ein Beethoven-Programm bei den Philis im Gasteig
von  Robert Braunmüller

Einspringer Michael Sanderling dirigiert ein Beethoven-Programm mit den Philis im Gasteig

Das Orchester der Stadt ist ein traditionsbewusster Haufen. Beethoven spielen die Münchner Philharmoniker am liebsten in romantischer Großbesetzung, mit dunkelgrundiertem Mischklang und viel Streicher-Vibrato als gelbem Firnis – zuletzt zu hören beim Philharmonischen Kammerorchester oder den Symphonien Nr. 3 und 4 unter dem 88-jährigen Georges Prêtre.

Der Senior war bei Folge zwei seines Mini-Zyklus’ erkrankt, Michael Sanderling sprang ein. Beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks hatte der ehemalige Cellist vor einiger Zeit – ebenfalls als Ersatzmann – mit Dvorák und Tschaikowsky keinen starken Eindruck hinterlassen. Bei den Philis und mit Beethovens Zweiter und Siebter gelang ihm jedoch, in bemerkenswerter Weise versteinerte Verhältnisse zum Tanzen zu bringen.

Sanderling dirigiert mit großen Gesten. Aber das ist nur die effektvolle Oberfläche eines modernen, vom historisierenden Musizieren beeinflusstes Beethoven-Verständnis. Der sympathisch wirkende Dirigent wies das Vibrato in seine Schranken, kehrte den natürlich-schönen Klang der Streicher hervor und sorgte für Trennschärfe zwischen Bläsern und Streichern.

Im Larghetto der Zweiten riskierte er Zartheit, die Siebte schäumte vor Energie. Der letzte Satz gelang besonders mitreißend, hatte allerdings einen Zug ins Gewalttätige, wo ein etwas mehr federnde Eleganz wohltäte. Aber alles in allem: Tradition ist gut, aber noch schöner ist es, sie gelegentlich hinter sich zu lassen.

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