Gegen die Entfremdung
Kent Nagano über seine Arbeit mit Regisseur Barrie Kosky an der „Schweigsamen Frau“
Es ist eine alte Theater-Erfahrung, dass Komödien viel schwieriger als Tragödien sind", sagt Kent Nagano, während er nach einer Probe die drei Bände der Partitur im Rollkoffer verstaut. „Für diese Oper braucht man ein hochvirtuoses Orchester und technisch extrem versierte Sänger. Deshalb wird dieses Meisterwerk selten gespielt.“
Ein weiterer Grund ist für Nagano das Tabu, das auf den während der NS-Zeit entstandenen Werken des Komponisten lastet. Der Textdichter Stefan Zweig emigrierte wegen seiner politischen Ansichten und der jüdischen Herkunft 1934 nach London. Als Vorsitzender der Reichsmusikkammer konnte Strauss zwar ein Jahr später die Uraufführung der „Schweigsamen Frau“ in Dresden durchsetzen. Wegen eines ungenierten, von der Gestapo abgefangenen Briefs an Zweig fiel er jedoch in Ungnade und musste 1935 seine repräsentative Position als Musikfunktionär aufgeben.
Nagano hat über diese widersprüchlichen Hintergründe mit dem Komponisten-Enkel Christian Strauss gesprochen. Bei den Bearbeitung greift der Generalmusikdirektor auf die leicht gekürzte Version zurück, die bereits sein Vor-Vorgänger Sawallisch benutzt hat. „Gemeinsam mit dem Regisseur Barrie Kosky habe ich aber ein paar Striche zurückgenommen, um den Gefühlen der Figuren mehr Raum zu geben", erklärt der Dirigent. „Vieles wirkt für den Zuschauer kürzer, wenn es psychologisch verständlich wird.“ Nagano und Kosky wollen in der vorläufig nicht fürs Repertoire bestimmten Aufführung herausarbeiten, wie der Einzelgänger Morosus durch die Liebe seine Entfremdung von der Gesellschaft überwindet. Zur Entfremdung innerhalb der Staatsopernspitze, die seinen Verzicht des auf eine Vertragsverlängerung als GMD herbeiführte, will Nagano nichts sagen. „Ich konzentriere mich auf die Arbeit an der Strauss-Premiere und die kommenden Vorstellungen von ,Tannhäuser' und ,Lohengrin' zum Finale der Festspiele.“
RBR
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