Gegen den Apparat

Ist der Held dieser Oper ein Zyniker, Dämon, Egoist oder unwiderstehlicher Verführer? Ab Samstag steht Mozarts vielschichtiger „Don Giovanni“ wieder im Spielplan der Bayerischen Staatsoper
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Ist der Held dieser Oper ein Zyniker, Dämon, Egoist oder unwiderstehlicher Verführer? Ab Samstag steht Mozarts vielschichtiger „Don Giovanni“ wieder im Spielplan der Bayerischen Staatsoper

Auf den Gängen vor der Bühne lagern Wägen mit Requisiten: Mörtel und Schaufel aus „Lohengrin“, Pappteller nebst Bierdosen für „Don Giovanni“. Stefan Kimmig inszeniert Mozarts Oper als erste Premiere der neuen Spielzeit am Nationaltheater.

AZ: Herr Kimmig, angesichts dieser Zutaten sollte man mit Regietheater rechnen?

STEFAN KIMMIG: Natürlich! Es geht auch nur so. Der Gegenentwurf wäre konzertant im Kostüm mit ein wenig Licht an der Rampe.

Es ist Ihre erste Opernregie.

Seit Jahren werde ich danach gefragt. Aber ich habe immer abgelehnt, weil ich nicht mit Bildern um mich werfe wie viele Kollegen, die Opern machen. Ich komme stärker von den Figuren und ihren Konflikten her.

Wagen wir einen Versuch: Was passiert zwischen Don Giovanni und Anna, ehe der Vorgang aufgeht?

Er hat mittendrin aufgehört und gesagt: „Du ekelst mich an.“ Diese Demütigung trifft sie tief. Aber Anna entdeckt dadurch eine Fülle ausufernder Emotionen in sich, die sie bisher nicht kannte und die sie bis zum Ende der Oper abarbeitet, ohne eine Lösung zu finden.

Wer ist Don Giovanni für Sie?

Er ist ein Chamäleon. Virtuos springt er zwischen verschiedenen Rollen hin und her. Jeder, der mit ihm zu tun hat, macht sich seinen eigenen Don Giovanni. Er ist fast eine multiple Persönlichkeit und ein von Frauen, Vätern, Brüdern und der Polizei verfolgter, heimatlos durch Europa rasender Outlaw. Mich interessiert aber eher, wie die anderen Figuren auf ihn reagieren und welche Energie sie daraus für ihren Aufbruch am Ende mitnehmen.

Halten Sie ein Glück zwischen Ottavio und Anna möglich?

Aber sicher. In den meisten Aufführungen ist Ottavio eine Pfeife. Das finde ich völlig falsch. Er bekommt Annas Emotionsüberschuss mit und coacht sich dadurch. In unserer Aufführung singt er auch beide Arien.

Ist Donna Elvira komisch?

Eher ironisch. Sie hat eine große Kraft. Sie will einfach nicht sitzen gelassen werden. Ins Kloster geht sie am Ende eher im modernen Sinn, um aus Wellness eine Woche zu schweigen.

Was machen Sie mit der wandelnden Statue, die zu Mozarts Zeit sicher eine Theatersensation war, für uns aber schwieriger ist?

Man muss sich fragen, was es bedeutet. Für mich ist der Komtur ein Instrument einer gesellschaftlichen Nomenklatur, die einem asozialen Fremdkörper wie Don Giovanni die Lebensberechtigung abspricht.

Ihre Bühnenbildnerin ist Ihre Frau. Wie hält man das aus?

Sehr gut. Mit unseren drei Kindern schalte ich schon ab. Aber als Regisseur beschäftigt man sich dauernd mit den Stücken und will drüber reden. Das läuft zwischen uns spontaner, offener und mobiler.

Haben Sie nach dem ersten Mal von der Oper schon wieder genug?

Kent Nagano ist offen und neugierig für alles, was in der Welt geschieht und deshalb auch auf der Bühne passieren muss. Da machen Kollegen von mir ganz andere Erfahrungen, mit an der Welt desinteressierten, verstockten Dirigenten. Auch mit den jungen Sängern lief es gut. Aber ich fürchte, solche Produktionsbedingungen sind nicht selbstverständlich. Im Schauspiel kann man eine Hauptprobe ohne weiteres verlängern, wenn es wirklich brennt. Beim Riesenapparat Oper wäre man da verraten und verkauft.

Robert Braunmüller

Die Premiere am Sa, 18 Uhr, ist ausverkauft wie die übrigen Vorstellungen im November. Restkarten: Tel. 2185 1920

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