Gebete eines Ungläubigen
Ein Leben nach dem Tod hält er für „völlig unmöglich”. In der Welt kann er angesichts der alltäglichen Grausamkeit nirgendwo die Liebe Gottes entdecken. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb? – ist Enoch zu Guttenberg ein herausragender Interpret von Bachs „Matthäus-Passion” und anderer geistlicher Musik.
Heute feiert der Dirigent, engagierte Umweltschützer und Vater der verblichenen CSU-Lichtgestalt Karl-Theodor seinen 65. Geburtstag. Noch als Student übernahm er 1967 die Chorgemeinschaft Neubeuren und formte sie zu einem der besten Ensembles seiner Art. Vor etwa 40 Jahren war Guttenberg auch einer der Mitbegründer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). Als Pessimist fürchtet er, dass die Menschheit den Klimawandel auf Dauer nicht überleben werde.
Nachzulesen ist derlei in einem Bildband mit Interviews, der auf dem Höhepunkt der Guttenberg-Welle geplant wurde und nach geplatzter Blase ziemlich peinlich wirkt. Der bürgerliche Leser darf durch die Schlüssellöcher ins Schloss gucken und den Baron beim Reiten und Beten bewundern, während sich dieser im Text über das neugierige Treiben vor dem fränkischen Familienschloss beschwert. Auf die Affäre um die Dissertation seines Sohnes antwortet der Senior mit Wehleidigkeit und Vorwürfen, die im Pilatus-Zitat „Was ist Wahrheit?” gipfeln, als gäbe es am Copy & Paste irgendwelche Zweifel.
Es wäre besser gewesen, der musikalische Wahrheitssucher hätte dazu geschwiegen. Obwohl der Geiger Andreas Reiner und der Kritiker Hans-Klaus Jungheinrich Sinnvolles zu Guttenbergs musikalischer Arbeit sagen, legt man dieses Buch schnell ärgerlich zur Seite, um sich die Vorfreude auf Guttenbergs nächstes Münchner Konzert mit Verdis „Requiem” am 27. November im Gasteig nicht zu verderben.
„Dirigent, Intendant und Umweltschützer” (Propyläen, 176 Seiten, 34.99 Euro)