Gasteig? No! Dann lieber in Wuppertal!

Der Dirigent Simon Rattle über Robert Schumanns Oratorium "Das Paradies und die Peri", die Münchner Debatt über einen neuen Konzertsaal und seine Pflichten als Vater und Ehemann
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Der Dirigent Simon Rattle über Robert Schumanns Oratorium "Das Paradies und die Peri", die Münchner Debatt über einen neuen Konzertsaal und seine Pflichten als Vater und Ehemann

In 150 Jahren werden sich die Leute auch wundern, warum in den Neunzigern alle verrückt nach ,Matrix’ waren“, sagt Simon Rattle. „Natürlich ist der Text von ,Das Paradies und die Peri’ seltsam, aber auch nicht dümmer als Wagners ,Lohengrin’.“

Noch heute und morgen dirigiert der Chef der Berliner Philharmoniker dieses halb vergessene Oratorium von Robert Schumann im Herkulessaal. „Oft wird behauptet, dass dieser Komponist mit dem Orchester seine Schwierigkeiten hatte. Aber die Partitur steckt voller unglaublicher Farben. Es ist eine imaginäre Oper, die den Hörer im Kopf an exotische Orte entführt. Ich halte es für ein Meisterwerk, das beim Hörer die Nervenenden blanklegt.“

Rattle ist ein Schumann-Enthusiast: „Ich musste allerdings lernen, seine Musik nicht mit dem Taktstock aufzuspießen. Sie braucht ein freies Tempo. Weil meine Schlagtechnik mit den Jahren nachgelassen hat, fällt mir der Zugang zunehmend leichter.“

Rattle liebt die Superlative

Das Erlösungsmysterium erzählt auch nach Rattles Überzeugung Schumann selbst: „Die Peri, Kind eines gefallenen Engels und einer Sterblichen, bringt ein Zitat aus Bachs ,Kunst der Fuge’ zum Himmel.“ Solche Selbstlosigkeit wurde von der Nachwelt nur bedingt vergolten: „Die Nachfolger Schumanns haben ihn ausgeplündert: Es gibt Nachklänge des Werks in ,Lohengrin’, bei Berlioz und in Mahlers Symphonie Nr. 8.“

Rattle liebt Superlative. Das eher hartgesottene Philadelphia Orchestra sei sogar in Tränen ausgebrochen, als es Schumanns „Peri“ einstudiert habe. Vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks kann der Dirigent solche Rührung zwar nicht berichten. Aber er hat die Geschichte einer Bekehrung parat: „Ich war 15, als ich in Liverpool das Orchester unter Rafael Kubelík gehört habe, und es veränderte mein Leben. Niemals habe ich Beethovens Neunte besser gehört“, sagt er enthusiastisch. E lobt auf deutsch die „Menschlichkeit“ des Dirigenten, der das Orchester von 1961 bis 1979 leitete und dessen Klangvorstellung noch immer spürbar sei.

"Der Herkulessaal ein heiliger Ort für mich."

Den derzeitigen Chef Mariss Jansons findet Rattle schalkhaft „nicht schlecht“, um ihn gleich darauf wieder in seiner Muttersprache als einen Lieblingsdirigenten zu bezeichnen. Es ist auch kein Zufall, dass Rattle die drei Abende nicht im Gasteig dirigiert: „Wegen Kubelík ist der Herkulessaal ein heiliger Ort für mich. Dass ich kein Fan der Philharmonie bin, ist kein Geheimnis. Niemand ist es.“

Rattle hat dort mehrfach mit seinem Orchester gastiert: „Bei Mahler mussten wir uns mehr um die Akustik kümmern als um die Musik“, erzählt er und lässt durchblicken, dass der Saal daran nicht unschuldig ist, dass sich die Berliner Philharmoniker in München rar machen: „Wir spielen einfach lieber in Wuppertal und den Neubauten von Essen oder Dortmund.“

Allerdings bleibt Rattle optimistisch: „Wenn ich mir die Schaufenster in München ansehen, habe ich nicht das Gefühl, dass in dieser Stadt etwas am Geld scheitert.“ Und Lust aufs Wiederkommen mit den Berlinern oder am Pult des BR-Symphonieorchesters hat er auch, obwohl er demnächst das Gastieren einschränkt: Dann kommt Sohn Jonas aus der Ehe mit der Sängerin Magdalena Kozená in die Schule, und ein Elternteil muss dann ständig in Berlin bleiben.

Robert Braunmüller

Noch heute, Freitag, und Sa, 20 Uhr, im Herkulessaal. Für beide Termine 180 Stehplätze zu 5 Euro ab 19 Uhr an der Abendkasse.

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