Gärtnerplatz-Chef Peters: Das Ministerium hat den „Schwarzen Peter“

Vor der letzten großen Premiere im Gärtnerplatztheater: Der scheidende Intendant Ulrich Peters grollt dem Kunstministerium noch immer  
Britta Schultejans |
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Vor der letzten großen Premiere im Gärtnerplatztheater: Der scheidende Intendant Ulrich Peters grollt dem Kunstministerium noch immer

Es ist ein Abschied auf Raten: An diesem Samstag bringt das Gärtnerplatztheater die letzte große Premiere heraus, bevor das Haus für die Generalsanierung geschlossen wird. Anfang Mai rücken die Bauarbeiter an. Und im Sommer endet Ulrich Peters' Amtszeit als Intendant des Hauses. Im Interview der macht er kein Geheimnis daraus, dass die Entscheidung des bayerischen  Kunstministeriums, seinen Vertrag nicht zu verlängern, ihm immer noch im Magen liegt.

Nach dieser Spielzeit übernimmt Josef Köpplinger das Intendantenamt. Schon jetzt ist er oft im Haus. Wie arbeiten Sie zusammen?

Ulrich Peters: „Das ist ganz einfach: Josef Köpplinger und ich kennen uns seit 20 Jahren und sind befreundet. Wenn er Hilfe braucht, meldet er sich und ansonsten muss er sein Ding machen wie ich meins gemacht habe – und mache. Das ist an meiner künftigen Wirkungsstätte in Münster ähnlich. Da bin ich auch mit dem Intendanten seit 15 Jahren gut bekannt und der Übergang läuft wunderbar. Hier in München kommt allerdings dazu, dass ich ein bisschen die Stirn kraus gezogen habe, als ich gehört habe, dass das Ensemble und alle künstlerischen Vorstände entlassen werden sollen. Man baut mit viel Arbeit und Herzblut ein Ensemble auf und pflegt es und ich denke, wir haben da beachtliches geleistet. Manch eine Produktion kann locker neben der Staatsoper bestehen. Viele von den Mitarbeiten müssen jetzt sehen, wo sie bleiben.“

Wie viele sind das?

Es gibt ein paar unkündbare Sänger, die bleiben. Aber fast 60 Ensemblemitglieder müssen gehen, darunter auch viele Mitarbeiter bis hin zu meiner Sekretärin. Das sind flächendeckend über 10% der Belegschaft. Ich nehme drei oder vier Sänger mit nach Münster, einige haben etwas anderes gefunden. Meine Sänger und Tänzer hier sind mein ganzer Stolz. Regisseure sind toll, Bühnenbildner sind toll, das Orchester ist toll, sitzt aber im Graben. Da ist es warm. Aber auf der Bühne zieht es. Da weht ein strenger Wind.“

Diese Veränderungen sind aber mit einem Intendantenwechsel doch immer verbunden...

Ja schon. Das ist in meiner neuen Wirkungsstätte in Münster auch so. Auch da wird es neue Gesichter geben und das ist sicher auch gut. Und auch ein Intendant hat eine Halbwertszeit von acht oder längstens zehn Jahren. Dann muss er eigentlich weg. Ein neuer Intendant bedeutet neue Impulse. Die Auflösung einer ganzen künstlerischen Struktur jedoch, hat eine andere Dimension.“

Sie hatten diese zehn Jahre nicht...

Richtig. Die Entscheidung wurde nach nur zwei Jahren getroffen, als man letztlich überhaupt noch nicht sagen konnte, wohin das Haus steuert. Aber über Kenntnisreichtum und Ignoranz bei den Verantwortlichen möchte ich mich jetzt nicht weiter auslassen. Das ist eben so. Jeder macht so wie er kann und mit dem, was er mitbringt in seinem Job – auch ein Politiker.“

Der Wechsel kommt jetzt in einer Zeit, in der das Gärtnerplatztheater wegen des Umzugs vor einem Umbruch steht...

Ja. Und darum ist das für mich auch umso schwerer zu verstehen. Wenn etwas schiefgeht, hat allein das Ministerium das zu verantworten. Nicht ich und auch nicht mein Nachfolger. Der Schwarze Peter liegt hier ganz eindeutig. Herr Heubisch hat sich ja bis heute nie dazu geäußert, was er sich inhaltlich von diesem Intendantenwechsel verspricht. Wenn seine einzige Vision ist, eine Personalie auszutauschen, dann ist das zu kurz gesprungen. Damit kann man höchstens eine Amalgamfüllung auswechseln. Für eine Goldkrone reicht es schon nicht mehr.“

Ihr Nachfolger ist vor allem für Musicals und Operetten bekannt. Ist diese Richtung etwas, das München braucht?

Das müssen Sie im Ministerium fragen. Wir haben das Deutsche Theater, das im Bereich des Musicals toll ist. Ich weiß nicht, ob wir so elementar künftig auf die Unterhaltungsschienen setzen müssen, dass wir zwei Unterhaltungstheater brauchen. Wir haben die Unterhaltung hier immer gepflegt mit großen Operetten und Musicals. Sollten wir sie nicht genug gepflegt haben, wäre das vielleicht ein Grund, warum das Ministerium gesagt hat, wir wollen das anders machen. Man hat ja leider nie mit mir drüber gesprochen. Es gab auch nie ein Feedback zu unserer Arbeit, weil nie jemand in unser Haus gekommen ist. Minister Heubisch hat von über 70 vielfältigsten Inszenierungen gerade mal drei gesehen. Da kann man sich kein Bild von Theaterarbeit machen.

Wie würden Sie das Haus unter Ihrer Leitung beschreiben?

Wir sind hier auch das Haus für Mozart, wir sind das Haus für die Spielopern und natürlich auch das Haus für die Operetten. Ich bin davon überzeugt, dass man nur dann gute Sänger an das Haus binden kann, wenn sie nicht nur Operette singen dürfen, sondern auch Oper. Wenn man ein festes Ensemble haben möchte – und ich bin ein großer Freund des Ensemble-Gedankens, dann ist das wichtig. Wir bilden hier ja auch junge Sänger weiter. Diese Basisarbeit geht nur in einem Ensemble. Wenn Theater das nicht mehr machen, ist das sehr bitter und sehr falsch. Man ist nicht zuletzt Trendscout und Sängersucher. Wir sind ein Theater und kein Gasthaus.

Die vergangene Spielzeit war die erfolgreichste für das Gärtnerplatztheater seit 16 Jahren. Wie sehr hat sie das gefreut - gerade mit Blick auf das Ministerium?

Ok, ich sage es: Es war schon eine wichtige Bestätigung und es lag auch ein klein wenig Schadenfreude darin. Mit meiner Nichtverlängerung wurde ja auch meinen ganzen Mitarbeitern die Rote Karte gezeigt. Das ist eine Auszeichnung für alle von uns. Ich habe das Gefühl, das Publikum mag schon sehr, was wir tun. Über das, was hier gelaufen ist, wurde geredet – und positiv geredet. Eine Auslastung von 80 Prozent – danach würde sich so manches Theater die Finger lecken.

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