Furchtlos anderen das Fürchten gelehrt
Hinter jedem Monster steckt ein Mensch, hinter jeder Heiligen auch. Und weil sich an Margaret Thatcher die Geister scheiden, ist es genau die Stärke dieses Filmes, dass er weder Freund noch Feind der „Eisernen Lady” gefällt.
Verehrern der radikalen Brutal-Reformerin stört, dass das Leben von Margaret Thacher nur bruchstückhaft rückblickend erzählt wird – aus der Perspektive einer alten Frau, die langsam die Kontrolle über ihre Erinnerung verliert. Wie in Patricia Highsmiths „Der süße Wahn” lebt sie mit ihrem – als ihr Handtaschenträger verspotteten – Mann Denis weiter, obwohl dieser schon gestorben ist. Und man erlebt loriot-charmante Frühstücksei-Szenen. Denis (Jim Broadbent) ist der menschliche Anker ihres Lebens, in dem sie hart sein musste: um den Aufstieg als Krämerstochter zu schaffen, deren Vater sich ihr Studiengeld absparte, oder gegen die Oberschichts-Snobs ihrer Partei und das Vorurteil, eine Frau habe in der großen Politik nichts verloren. So ist es auch kein Wunder, dass mit dieser emanzipierten Frau nicht die weichen Faktoren in der Politik gestärkt wurden. Selbst der erfahren diplomatische US-Außenminister George Shultz wird von Misses Thatcher beim Tee schach-matt gesetzt, wie auch die Opposition im Parlament und die am Ende zunehmend unruhige eigene Partei.
Ein Film, der diese „Eiserne Lady” zum Zentrum hat, muss, um beim Zuschauer zu funktionieren, auch Sympathie mit der Hauptfigur wecken. Und das ärgert erbitterte Feinde ihrer Kahlschlags-Politik (siehe obenstehender Artikel). So erlebt man die radikalen Auswirkungen der Thatcher-Ära nur aus ihrer Perspektive: durch die Fenster ihrer gepanzerten Limousine im bedrohlichen Demonstrationstumult oder in TV-Nachrichten. Aber Meryl Streep gelingt es auch, den Zuschauer spüren zu lassen, dass diese Frau, die von allen gefürchtet wurde, zunehmend einem kalten, zu keiner Selbstkritik fähigen Fanatismus verfiel. Und wie sie – in den allzu förmlichen Zeiten kurz nach dem Zweiten Weltkrieg – nach einem Date tanzend den Mann ihres Lebens gewinnt, rührt. Und bei aller Kritik: Lady Thatcher bleibt eine der durchschlagendsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.
Kino: Arri, Cadillac, CinemaxX, City, Kino Solln, Münchner Freiheit sowie Atlantis, Museum Lichtspiele (OmU), Cinema (OV)
R: Phyllida Lloyd (GB, 105 Min.)