„Füttern und Köpfestreicheln sind keine Hilfe“
Horst Lichter über seine Kochstunden in Madagaskar und die Armut in diesem Land. Für die Welthungerhilfe war er dort und sagt: "Es ist unfassbar."
AZ: Herr Lichter, „überall diese TV-Köche“ hieß es auch in Marcel Reich-Ranickis TV-Schelte. Sind Sie also ein Auslöser dieser Debatte?
HORST LICHTER: Nein, um Gottes Willen, so viel Ehre gebührt weder mir noch meinen Kollegen.
Was sagen Sie zu der Kritik, dass es zu viele Kochsendungen gibt?
Ach, an der gesamten Sendezeit gemessen, machen Kochsendungen gerade einmal drei Prozent aus. Dem einen gefällt dieses, dem anderen jenes. Wir haben das große Glück, in einer Demokratie zu leben, und die größte Demokratie ist das Fernsehen. Jeder hat ein TV-Gerät zu Hause und jeder ist mittels der Fernbedienung Herr über die Dinge, die er sehen möchte.
Zum eigentlichen Thema, warum sind Sie für die Welthungerhilfe ausgerechnet nach Madagaskar gereist?
Alle haben erst einmal gesagt: Horst, wie toll, dass du so eine schöne Reise machen darfst. Es geht mir darum, gerade auf ein Land aufmerksam zu machen, von dem man glaubt, den Menschen dort ginge es ausgesprochen gut.
Wie ist die Situation dort?
Madagaskar ist definitiv eines der ärmsten Länder dieser Erde. Es ist unfassbar. Ich habe zwar versucht, mich darauf vorzubereiten, aber das ist praktisch nicht möglich.
Was haben Sie denn erlebt?
Wenn Sie glauben, Sie wissen, was Hunger ist – vergessen Sie es. Sie glauben, zu wissen, was Armut ist? Vergessen Sie auch das. Wenn Sie einmal mit Menschen in Madagaskar gelebt haben, werden Sie diese Begriffe neu definieren. Auch ich hatte geglaubt, zu wissen, was Armut und Hunger sind. Diese unvorstellbar bittere Armut hat mich überwältigt und sehr berührt.
Sie haben unter denselben Bedingungen wie die Bewohner Madagaskars gelebt?
Ja, selbst in der Hauptstadt gibt es kein Hotel, das auch nur annähernd als solches bezeichnet werden könnte. Wir aber haben in einem kleinen Dorf gewohnt. Waschen musste man sich mit Wasser aus dem Fluss, das wir aufgekocht haben. Als Toilette fungierte die Natur. Ich wollte alles authentisch erleben, um zu sehen, wo die Welthungerhilfe ansetzt und wie sie hilft.
Wie sieht die Hilfe denn aus?
Den Menschen wird die Möglichkeit gegeben, sich selbst zu helfen. Dazu muss man die Menschen vor Ort ausbilden. Man muss ihnen helfen, die Dinge zu nutzen, die vor Ort sind. Wir stellten den Frauen des Dorfes beispielsweise Nahrungsmittel vor und zeigten ihnen, wie man sie anbaut und zubereitet. Auch Aufklärung im hygienischen und medizinischen Bereich ist notwendig. Füttern und Köpfestreicheln sind keine echte Hilfe.
Und Patenschaften?
Auch ich habe angesichts der Armut gefragt, ob ich Patenschaften für Kinder übernehmen kann. Mir wurde sofort erklärt, warum Patenschaften gefährlich sein können. Stellen Sie sich ein Dorf mit 200 Kindern vor, in dem sie die Patenschaft von einem oder auch 20 Kindern übernehmen. Was ist mit den anderen Kindern. Wie erklären sie denen, dass sie nichts geschickt bekommen?
Angelika Kahl
Horst Lichter sammelt Mittwoch, den 22.10., ab 20.15 Uhr in dem von Markus Lanz moderierten ZDF-Quiz „Gut zu Wissen“ Spenden für die Welthungerhilfe
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