Früh eigene Wege gehen
Der Schauspieler Friedrich von Thun über die Rolle eines allzu strengen Vaters in Rainer Kaufmanns Film „Das Beste kommt erst“ und seine Familie
Der Patriarch (Friedrich von Thun) ruft, und seine Kinder kommen, auch wenn die schon längst erwachsen sind. Zu seinem 70. Geburtstag erscheinen sie auf seiner Jagdhütte im Gebirge, und es zeigt sich schnell im Rainer-Kaufmann-Film „Das Beste kommt erst“: Keiner steht wirklich auf eigenen Beinen, alle sind noch den väterlichen Gängeleien ausgesetzt. Bis es zum aufgeladenen Donnerwetter kommt.
AZ: Herr von Thun, den Regisseur Rainer Kaufmann kennen Sie schon sehr lange, nicht wahr?
FRIEDRICH VON THUN: Ja, wir haben uns kennengelernt, als er an der Münchner HFF München seinen Abschlussfilm gemacht hat. Der hieß „Der schönste Busen der Welt“ und war ganz hinreißend. Dominic Raacke prallt im Lift mit einer Frau zusammen und der herrliche Busen dieser Frau überträgt sich auf seltsame Weise auf den Mann.
Diesmal werden keine Busen vertauscht, aber auch in „Das Beste kommt erst“ gibt es surreale Momente.
Ja, es ist immer schön, wenn sich eine Arbeit von anderen unterscheidet. Macht man heute den Fernseher an und sieht einen Krimi, sind alle Farben hellblau und grau. Man hat das Gefühl, das alles ist im Grunde immer der gleiche Brei. Die beiden Mädchen, die mit ihren Feenkostümen durch den Film geistern, verleihen der Geschichte etwas Irreales und Verzaubertes.
Sie spielen nicht gerade einen Vorbild-Vater, oder?
Er ist darauf fixiert, die Familie und seine Schraubenfabrik zusammenzuhalten, hat also eine ganz lautere Motivation. Doch seine Methode ist im höchsten Maße nicht empfehlenswert. Er erpresst seine Kinder und manipuliert sie.
Aber irgendwann kommt es zum Aufstand.
Es gehört schließlich zum Erwachsenwerden, dass sich die Kinder loslösen, sich nicht mehr manipulieren lassen. Die Kinder im Film haben diesen Absprung versäumt.
Hatten Sie selbst familiäre Probleme mit dem Loslassen?
Nein, die Kinder waren schnell selbstständig und sind ihre eigenen Wege gegangen.
Sind Sie stolz, was aus ihnen geworden ist?
Stolz ist fast das falsche Wort. Ich finde es vor allem sehr beruhigend, wie sie ihr Leben führen. Ich kenne einige Eltern, deren Kinder gerade ihr drittes Studium angefangen haben und nicht wissen, was sie wollen. Es ist ein Glück, wenn die Kinder ihren Weg gut gehen – ohne irgendwelche Flausen im Kopf. Gerade in unserem Beruf verwechselt man ja leicht Berühmtsein mit ehrlichem Arbeiten.
Sind Sie auch ein Freund großer Familienfeiern?
Die Vorstellung, mit 20 Verwandten länger als eine Stunde an einem Tisch zu sitzen, macht mich sehr nervös. Trotzdem habe ich eine gewisse Sehnsucht danach.
Sie kommen aus einer großen Familie?
Ja, und als ich jung war, hat es mich immer sehr gelangweilt, wenn mein Vater mich zu Tanten oder Cousinen schicken wollte. Das habe ich nie gemacht. Im Nachhinein empfinde ich dieses Clan-Denken eigentlich als etwas sehr Schönes. Aber die Zeit hat sich geändert. Die meisten ziehen sich zurück, leben alleine. Und die Großeltern, die früher auf die Babys aufgepasst haben, sind im Altenheim.
Sie sind selbst Großvater?
Ja, zweifacher sogar. Das ist großartig. Man hat die Kinder, aber wenn das Chaos zu groß wird, alle kotzen oder schreien, kann ich meine Tochter rufen.
„Das Beste kommt erst“, stimmt das?
Es ist ein Lied von Sinatra. Ich weiß nicht. Ich habe ein Leben gelebt, das von sehr viel Glück begleitet war. Und wenn das Beste mit sich bringt, dass mir der Rücken ein bisschen weniger weh tut, dann kann ich das unterschreiben. Ich bin gespannt, was kommt.
Sie arbeiten sehr viel.
Was sollte ich auch stattdessen machen? Ich kann ja nicht den ganzen Tag spazieren gehen. Das Arbeiten ist für mich ein Zustand des Wohlseins.
Angelika Kahl