Friedrich Ani: Schatten im Halbdunklen

In Friedrich Anis neuem Roman „Süden und das heimliche Leben“ sehnen sich Menschen nach ihrem Käfig
von  Christian Jooß

In Friedrich Anis neuem Roman „Süden und das heimliche Leben“ sehnen sich Menschen nach ihrem Käfig.

In „Charly’s Tante“, einem Gasthaus an der Perlacher Straße. Linienbusse. Regen. Sonntagvormittag. Soll er vom Kaffeekännchen auf ein Bier umsteigen, fragt sich Tabor Süden. Eine Bedienung wird vermisst. Ilka Senner. Süden steigt auf Bier um.

1546 Münchner wurden vergangenes Jahr als vermisst gemeldet, sagt das aktuelle „Statistische Jahrbuch“. Viel Arbeit gäb’s da auch in der Realität für einen Menschenfinder wie den Tabor. „Süden und das heimliche Leben“ heißt der neue Roman des Münchner Autors Friedrich Ani. Und wer die Bände um den mittlerweile für eine Detektei Tätigen kennt, dem kommt gleich der Auftakt in dieser Münchner Randwelt wohlig vertraut vor.

Es lohnt, Ani bedächtig zu lesen, um Sätze zu erkennen, die über sich hinaus auf das Ungreifbare deuten: „Wie rauchende Apostel umringten ihn zwölf Augen“, heißt es gleich in der Gastwirtschaft. Und später reißt kurz Tabors Innenwelt auf: „Manchmal, wie jetzt, ging er durch die Straßen und fischte aus jedem Gesicht einen stinkenden Blick“.

Verschwinden sieht man durch Anis Buch als das langsame Wirken des Einsamkeitsgiftes. Schon die Selbsteinweisung in die Kneipenzellen ist ein erster Schritt. Süden selber, der nicht ins Polizeisystem zurückkehren will und seine Kontakte mit Komissarin Birgit Hesse und Chefin Edith Liebergesell immer nur als Zwischenlösung lebt, ist seiner Klientel so nahe, dass er im Halbdunklen noch ihre Schatten sieht.

Menschen verräumen sich in Käfige. In der staatlichen Institution der Menschenkäfige wird das enden. Spuren allerdings bleiben Und sei es der Katzengeruch in einem Korb. Die „Daseinsberechtigung“ der Tiere wird Süden als letzte Sehnsucht Ilka Senners erkennen.

Friedrich Ani: Süden und das heimliche Leben (Knaur, 204 Seiten, 8,99 Euro)

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