Freier, ungehemmter, leidenschaftlicher

Skandalregisseur Oliver Stone über Sex und Gewalt in seinem neuen Film „Savages”
Ulrich Lössl |
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Filme wie „Platoon”, „Wall Street” oder „Natural Born Killers” sorgten in den 80er und 90er Jahren für Gesprächsstoff. Genauso wie ihr Macher, der provokante Regisseur Oliver Stone. Mit „Savages”, einer fiebrig-brutalen Verfilmung von Don Winslows Drogenthriller „Zeit des Zorns”, meldet er sich zurück.

AZ: Mr. Stone, nach dem Amoklauf beim Batman-Film ist, vor allem in den USA, die Diskussion über „Gewalt im Film” wieder aufgeflammt.

OLIVER STONE: Ich kann das nicht mehr hören, weil die Debatte so verlogen ist. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich Mitte der 90er Jahre vors Gericht gezerrt wurde, weil „Natural Born Killers” angeblich der Auslöser dafür gewesen ist, dass jemand im wirklichen Leben tatsächlich jemanden umgebracht hat. Was völlig absurd ist. Die Wenigsten haben anscheinend kapiert, dass „Natural Born Killers” eine Gewalt-Satire war!

In „Savages” wirken Ihre Gewaltdarstellungen allerdings sehr realistisch.

In diesem Film kommt ein mexikanisches Drogenkartell vor. Deshalb gibt es zwangsläufig jede Menge schreckliche Gewalt zu sehen. Wie könnte das auch anders sein? Zwischen 2006 und 2012 wurden im Drogenhandel 50000 Menschen ermordet. Da ist ein echter Krieg im Gange. Und es wird immer bestialischer. Dass die Leute enthauptet werden, das kommt aus dem Irak-Krieg. Das haben die Mexikaner früher nicht gemacht. Die Gewalt, die ich im Film zeige, ist der Situation – und der Buchvorlage – angemessen. Jemanden umzubringen ist immer äußerst brutal. Und die meisten Menschen haben große Hemmungen, es zu tun. Ich weiß das, aus dem Vietnamkrieg. Die Gewalt in „Savages” ist nie Selbstzweck. Sie ist der jeweiligen Situation geschuldet und wird immer durch den Bewusstseinsstand der Protagonisten des Films belegt. Bei der Folterszene sind wir an unsere Grenzen gestoßen. Aber auch da ist die dramaturgische Wucht durch die exzessive Gewaltdarstellung viel größer.

Im Vergleich dazu haben Sie die Sexszenen sehr konventionell gedreht. Da blieb die „dramaturgische Wucht” ziemlich auf der Strecke.

Ich weiß. Leider konnte ich den Sex im Film nicht so zeigen, wie ich wollte. Denn die USA haben immer noch Probleme mit nackter Haut. Hätte ich Blake Livelys Titten gezeigt, hätten mir die Sittenwächter die Szene sicher herausgeschnitten. Von anderen nackten Körperteilen ganz zu schweigen. Amerika ist diesbezüglich immer noch durchtränkt von verlogener Prüderie. Natürlich wäre die Wirkung der Sexszenen viel größer, wenn ich sie freier, ungehemmter, leidenschaftlicher gefilmt hätte. Leider ist „Savages” kein französischer Film.

Im Buch „Zeit des Zorns” bedankt sich Don Winslow auch bei Ihnen. Hatten Sie schon etwas mit dem Roman zu tun?

Don hat mir erste Entwürfe schon sehr früh zum Lesen gegeben. Und ich habe ihn von Anfang an sehr ermutig, damit weiterzumachen. Ich halte ihn für einen fantastischen Schriftsteller, der wirklich weiß, worüber er schreibt – und das auf sehr spannende Art und Weise macht. Allerdings war mir der Schluss in seinem Buch etwas zu romantisch und daher unglaubhaft. Deshalb habe ich mir die Freiheit genommen, das Ende für die Filmversion zu ändern.

Wie sehen Sie die politische Zukunft Amerikas?


Sehr düster. Sollte Mitt Romney Präsident werden, wird es nicht nur in den USA, sondern auch außenpolitisch ein De-saster geben. Wahrscheinlich wird er am Tag nach seiner Amtseinführung den Iran bombardieren lassen. Und auch die Bushs – mit George Jr. war ich ja ein Jahr in derselben Klasse – und diese ganze selbsternannte politische Elite ist total verrückt. Das glaube ich wirklich.

„Savages” wirft einen ernüchternden Blick auf die Drogenproblematik in den USA.


Der Kampf gegen Drogen ist für mich eine Farce, eine große Heuchelei. In den USA haben wir heute mehr Drogen, billigere Drogen und bessere Drogen denn je. Und mehr Leute sitzen wegen Drogenvergehen im Gefängnis, über 2,5 Millionen. Der Krieg gegen die Drogen wird von den USA gerade total militarisiert. Die haben völlig den Verstand verloren. Das macht alles nur noch viel schlimmer. Kein Politiker wird je den Mut haben zu versuchen, Drogen zu entkriminalisieren oder gar zu legalisieren. Nicht einmal Obama, der ja früher selbst mal einen Joint geraucht hat. Es ist hoffnungslos.

Wann haben Sie zum letzten Mal einen Joint geraucht?

Ich rauche Marihuana sehr gerne. Es ist ein Gottesgeschenk, das man nicht verteufeln sollte. In der Medizin ist es ja längst – und nicht nur bei Krebspatienten – als Schmerzmittel anerkannt. Es ist auch viel ungefährlicher als Alkohol oder Kokain. Ich habe jedenfalls noch nie gehört, dass jemand an einer Überdosis Marihuana gestorben ist. 

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