Fragen nach dem Warum

Der Münchner Journalist und Autor Markus C. Schulte von Drach hat mit „Der fremde Wille“ einen außergewöhnlichen Thriller verfasst
von  Abendzeitung

Der Münchner Journalisten und Autor Markus C. Schulte von Drach hat mit „Der fremde Wille“ einen außergewöhnlichen Thriller verfasst

Wie eine Bestie zieht ein Mörder durch den Englischen Garten, vergewaltigt, reißt seinen Opfern die Kehle auf, hinterlässt viele Spuren, die alle ins Nichts führen. Die fieberhaft ermittelnde Sonderkommission um Hauptkommissar Hans Bauer erhält nach und nach Verstärkung: Von einer britischen Psychologin, amerikanischen Profilern, hawaiianischen Polizisten. Aber der Mörder schlägt immer schneller zu.

Trotzdem ist Markus C. Schulte von Drachs Roman „Der fremde Wille“ kein klassischer Vertreter des Genres: Er lässt die Figuren nicht nur nach dem Mörder, sondern auch nach Antworten für das abartige Verhalten suchen, lässt sie philosophisch über die Schuldfähigkeit des Menschen und die Freiheit des Willens debattieren. Eine raffinierte Form, um widersprüchliche philosophische und wissenschaftliche Erkenntnisse gegenüberzustellen, ohne dabei zu trocken zu werden. „Das ist natürlich die Gefahr dabei“, sagt Schulte von Drach, „aber das Risiko wollte ich eingehen, weil ich einen Anspruch erfüllen wollte.“

So könnte es passieren

Den Anspruch, mehr als eine spannende Geschichte zu vermitteln. „Der fremde Wille“ ist ein hintergründiger Thriller, angereichert mit naturwissenschaftlichen und psychologischen Erkenntnissen, Thesen zu Täter-Profiling, und detaillierten Abläufen der polizeilichen Ermittlungen.

„Ich wollte, dass jeder Leser, wenn er das Buch zumacht, sagen kann: So könnte es tatsächlich passieren“, sagt Markus C. Schulte von Drach. Der promovierte Biologe arbeitet als Wissenschaftsjournalist, als jemand, der „Informationen vermittelt, aber so, dass die Leute das auch verstehen“. Mit dem Roman sei es nicht viel anders. „Aber mit einem Thriller kommt man vielleicht noch besser an die Leute ran, auch an die, die ein Sachbuch nicht aufschlagen würden.“

Ewige Fragen

Schon während des Studiums haben ihn die Themen des Romans beschäftigt: Wie frei ist der Wille des Menschen, was kann auf ihn Einfluss haben? Später stieß die „zweite große Frage“ dazu – die Frage nach dem Warum. Warum begehen Menschen Verbrechen, warum andere nicht? „Das hat mich fasziniert“, sagt Schulte von Drach, „ich wollte versuchen, diese Fragen zu beantworten, so weit es heute geht. Warum tut jemand so etwas? Wie geht die Polizei dann vor, was passiert da alles?“ Stundenlang ließ er sich von einem Beamten der Mordkommission die Abläufe in der Polizeiarbeit schildern, las sich durch BKA-Unterlagen. Der Roman spielt in München, weil Schulte von Drach hier gelebt hat und sich auskennt. Er las Bücher von Profilern und Psychologen, arbeitete sich in wissenschaftliche Theorien ein, die ihm bei der Arbeit begegneten. „Wenn andere mit der Familie in den Urlaub gefahren sind, saß ich zu Hause am Computer und habe geschrieben.“

Die Informationsfülle hat der Autor so sorgsam in die Handlung eingewoben, dass sie die Geschichte bereichert, ohne sie zu überfrachten. Tragische Liebes- und Lebensgeschichten der Ermittler liefern die menschliche Komponente, und auch hier schlägt er den Bogen zurück zu den großen Themen des Romans. Ein komplexes Werk, ein mitreißender Roman – mit einer überraschenden Wendung zum Schluss.

Laura Kaufmann

Markus C. Schulte von Drach: „Der fremde Wille“ (Kiepenheuer & Witsch, 512 Seiten, 19.95 Euro)

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