Flatz ist museumsreif

Seine Geburtsstadt Dornbirn richtet dem in München lebenden Aktionskünstler aus Vorarlberg ein Museum ein. Am 24. Juli wird es eröffnet
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Seine Geburtsstadt Dornbirn richtet dem in München lebenden Aktionskünstler aus Vorarlberg ein Museum ein. Am 24. Juli wird es eröffnet

Er ließ sich in der Münchner Akademie mit Füßen treten, forderte sein Stuttgarter Publikum auf, mit Dartpfeilen auf ihn zu schießen, ließ in Berlin einen Kuhkadaver vom Himmel fallen und wurde ins Irrenhaus gesteckt, weil er in Feldkirch mit Kapuze überm Gesicht ein Museum besuchte.

Dafür wurde Flatz als „Provokateur“ abgehandelt, doch waren die Skandale, die seine Aktionen Ende der 70er und 80er Jahre hervorriefen, ihm stets nur Mittel zum Zweck – um tiefere, unangenehme Wahrheiten an die Oberfläche zu bringen. Auch 2002 hat der Flatz-Effekt in München noch bestens funktioniert: Für die Lukaskirche schuf der Kunst-Extremist die Foto-Installation in Kreuzesform „Superstar“ (siehe Foto). Doch der Kirchenvorstand sorgte sich wegen der so realistisch dargestellten Grausamkeit um die Kinder in der Gemeinde, das Bild wurde abgehängt.

Keine Angst vor der musealen Staubschicht

Für den großen Kunstzirkus war sein Werk wohl immer ein bisschen zu extrem, darum hat Flatz sich, obwohl er anfangs „die besten Galeristen“ hatte, aus dem Markt bald verabschiedet. Doch jetzt wird dem seit 1975 in München lebenden Österreicher (56), der dreimal an einer Documenta teilnahm, und der vielen Münchnern aber am ehesten als Herrchen seines Hundes „Hitler“ bekannt ist, große Ehre zuteil: In seiner Geburtstadt Dornbirn in Vorarlberg eröffnet am 24. Juli das Flatz-Museum. Ausgerechnet das Land, aus dessen Enge Flatz, wie er selbst betont, als junger Mann „emigrierte“, heißt ihn jetzt als einen „großen Sohn“ Willkommen zurück. Die zweite Etage der zum Kulturzentrum umgebauten „Alten Naturschau“ mitten in der Dornbirner Innenstadt wird zur Flatz-Zone.

Darin werden nicht nur seine einmaligen Aktionen in Bild und Ton dokumentiert, sondern es sollen rund 30 seiner „Physical Sculptures“ und 12 Fotografien aus der Serie „Zeige mir deine Helden und ich zeige dir eine Tragödie“ zu sehen sein. Darüber hinaus gibt es Platz für Wechselausstellungen, bei deren Auswahl Flatz maßgeblich mitbestimmt.

Vor der musealen Staubschicht fürchtet sich der spartenübergreifend tätige Künstler, der vor seinem Studium an der Münchner Akademie Goldschmied lernte und nebenbei Kunstgeschichte studierte, keineswegs: „Ich sehe das Museum nicht als Mausoleum, sondern als Plattform für meine Arbeit. Da wird die Kunst ganz anders wahrgenommen. Und es gibt nicht viele Künstler, die zu Lebzeiten und in meinem Alter ein öffentliches Museum eingerichtet bekommen. Ich sehe das als eine Art Entschädigung für meine jahrelange Mühen.“

Neuerdings auch im Vatikan

Seine gewalttätige Aktionskunst war oft eine Art Echtzeit-Experiment nach dem Prinzip der „kontrollierten Eskalation“; dabei setzte Flatz den eigenen Körper als Medium ein. Das erschütternde Ergebnis der schmerzhaften Selbstversuche war meist, dass die Schutzschicht der Zivilisation nicht sehr haltbar war, stattdessen barbarische Instinkte sehr schnell zum Zuge kamen. Doch Flatz sieht die brutalen Eskapaden seines Publikums nachträglich gelassen, und mit Blick auf die Rückkehr in die alte Heimat positiv: „Da hat eine Entwicklung stattgefunden“.

Und ausgerechnet der geschundene „Superstar“, den die evangelische Münchner Lukaskirche nicht haben wollte, gehört jetzt dem Vatikan. Flatz: „ Bei meiner Ausstellung letztes Jahr in Prato kam ein kleiner Monsignore auf mich zu, fiel mir um den Hals und sagte, seit Bacon habe ihn keine christliche Darstellung mehr so bewegt. Erst hinterher stellte sich heraus, dass er für die Kunstsammlung des Vatikan zuständig war.“

Im Bildungsfernsehen

Dass er hier kaum wahrgenommen wird, ist für Flatz kein Frust-Grund. Er bezeichnet München, wo er schon lange zurückgezogen auf der Praterinsel lebt, als „Heimatstadt, die ich liebe“. Und nimmt es als eine Art Rückzugsraum, von dem aus er international agiert. Und das nicht nur als Künstler: Für die ARD drehte er gerade mit Raimund Wünsche von der Glyptothek einen Vierteiler über Malerei: unterhaltsames Bildungsfernsehen zur Primetime, das ab Dezember ausgestrahlt werden soll.

Und zur Eröffnung in Dornbirn bietet er eine mit Sicherheit anrührende Performance: Flatz singt das schaurigschöne Wiegenlied „Heitschibumbeitschi“ für seinen fünfjährigen Sohn Norton – das er auch schon in der Nacht von Münchens Stadtgeburtstag 2008 vor 500 Leuten sang. Danach legt DJ Hell auf. Auf die kontrollierte Emotionalität folgt knallharter Techno. Flatz bleibt Flatz.

Roberta De Righi

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