Fesch in Szene gesetzt

In den Stahlschränken des Architekturmuseums schlummern fabelhafte Fotografien – nun ist ein Bruchteil erstmals in der Pinakothek der Moderne zu sehen
von  Christa Sigg

In den Stahlschränken des Architekturmuseums schlummern fabelhafte Fotografien – nun ist ein Bruchteil erstmals in der Pinakothek der Moderne zu sehen

 

Es muss eine Tortur gewesen, mit einem ganzen Chemielabor durch die Wüste zu ziehen. Aber anders ging’s nicht. War die nasenlose Sphinx von Giseh mal im Kasten, flitzte Pascal Sébah sofort in die Dunkelkammer oder besser: ins Dunkelzelt. Nicht nur wegen der Hitze war Eile geboten. Und immerhin entstanden durch das direkte Auskopierverfahren sensationelle Bilder. Die Schärfe, die Qualität dieser um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Fotografien verblüfft noch heute, in Zeiten irrwitziger Megapixeleien. Jetzt zählen diese Aufnahmen zu den Höhepunkten der „Fotografie für Architekten” in der Pinakothek der Moderne.

"Ein guter Architekt muss einen guten Fotografen haben"

Ausnahmsweise dreht sich in der neuen Ausstellung des Architekturmuseums nicht alles um die geschätzten Baumeister, sondern um diejenigen, die ihre Arbeit erst so richtig in Szene gesetzt haben – und setzen. Es hat schon einen Grund, dass das Renommier-Duo Herzog & De Meuron auf die lichtbildnerische Kongenialität eines Thomas Ruff setzt, Le Corbusier, ein Großmeister der Selbstvermarktung, sich auf das Auge von Lucien Hervé verließ oder Paul Schneider-Esleben am liebsten auf Albert Renger-Patzsch zurückgriff, der mit seinem sachlichen Sinn für Strukturen und deren Rhythmisierung die richtige Perspektive ausfindig machte. „Ein guter Architekt muss dafür sorgen, dass er einen guten Fotografen hat, sonst wissen die Leute nicht, was er tut”, brachte es Günter Behnisch lapidar auf den Punkt.

Solche Partnerschaften sind in der Ausstellung schön zu verfolgen: Ezra Stoller etwa, der die schwungvoll ausladenden Konstruktionen von Eero Saarinen schon mal geschickt durch eine Wolkenkulisse dramatisiert, oder Hans Finsler und der Corbusier-Schüler Alfred Roth.

Lernmaterial für künftige Baumeister

Wobei der Ausgangspunkt dieser Fotografiesammlung ein ganz anderer, durchaus naheliegender ist: Die angehenden Baumeister, die ab 1868 an der Polytechnischen Schule an der Arcisstraße studierten, brauchten Lernmaterial. Beim Abzeichnen oder Kopieren wichtiger Bauten sollten sie erfassen, wie ein Bauwerk zu proportionieren, zu dimensionieren ist und – typisch Historismus – aus welchem Motiv- und Formenrepertoire der geschätzten Vergangenheit man schöpfen konnte.

Fotoateliers in ganz Europa lieferten, wonach der Sinn stand. Zu üppigen Preisen, versteht sich. Der Aufwand war ja auch beträchtlich. Zumal bei Objekte in Übersee oder eben in der Wüste. Das Gros bezog sich allerdings auf die Baugeschichte Europas. Einer der ersten Starfotografen, Édouard Denis Baldus, und die Brüder Bisson lieferten die Highlights der französischen Kathedralgotik. Mindestens so wichtig waren italienische Vorbilder, die Carlo Naya, Moritz Lotze u. a. in ihren Ateliers in Venedig, Florenz oder Vicenza (Palladio!) anboten.
Mit der Zeit kam an der Hochschule Beträchtliches zusammen. 200000 Aufnahmen sind’s bis heute – seit Winfried Nerdingers Wirken am Architekturmuseum in mühevoller Kleinarbeit erfasst und gesichert – von etwa 800 Fotografen. Darunter August Sander, Karl Hugo Schmölz, die Bechers natürlich oder Klaus Kinold. Jede Menge feines Material also für künftige Ausstellungen.

Bis 19. Juni in der Pinakothek der Moderne, Katalog 35 Euro

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