Fernsehen ohne Eierlikör
„Mogadischu“ hat es wieder bewiesen: Das Interesse an Geschichte im Fernsehen ist groß, Gabriela Sperl und Nico Hofmann legen nach
Bis zum Schluss gab es Zweifler, ob ein solcher Film das große Publikum erreicht. Doch den Terrorfilm „Mogadischu“ schauten 7,34 Millionen Menschen. Anne Will, die anschließend mit Zeitzeugen diskutierte, verfolgten 5,82 Millionen und selbst die Doku, die bis halb zwölf nachts ging, hatte sensationelle 4,25 Millionen.
„Wir freuen uns sehr. Ich habe es noch nie erlebt, dass so viele Menschen sich melden – von der Pflegerin meiner Mutter bis hin zu Leuten aus der Branche – die sagen: ,Das hat uns bewegt und tief berührt.’ Und die absolut dankbar sind, dass wir das in dieser Weise erzählt haben“, sagt Produzentin Gabriela Sperl, die auch das Drehbuch von Maurice Philip Remy bearbeitet hat. „Der Kampf für dieses Projekt hat sich gelohnt. Wir haben ja keinen reißerischen Film über irgendeine Flugzeugentführung gemacht, sondern die Wahrheit gesucht.“ Remy hatte jahrelang recherchiert, nur wenig wurde dramaturgisch zugespitzt, wie das Vier-Augengespräch zwischen Kanzler Schmidt und Kapitäns-Witwe Monika Schumann. „In Wahrheit war sie mit anderen Geiseln im Kanzleramt. Wir haben das in Absprache mit ihr so inszeniert, damit der Witwe ein bisschen mehr Platz eingeräumt ist“, sagt Sperl. „Film ist immer auch Interpretation.“
Der Erfolg öffnet Türen
An einen Event wie „Die große Flucht“, von Sperl geschrieben und mit Nico Hofmann produziert, kommt „Mogadischu“ allerdings nicht heran. „Für die Radikalität dieses Films sind 7,4 Millionen gut“, sagt Hofmann. „Das war ja beileibe kein Film, bei dem man mit Eierlikör auf der Couch sitzt.“ Bei den jungen Zuschauern erreichte der ARD-Film 18,1 Prozent Marktanteil – für die ARD ist das sehr selten.
Der Erfolg öffnet Sperl auch Türen für andere gewagte Projekte. „Das Ergebnis ist ein Plädoyer für Mut und Vertrauen, mit seinen Partner auch Wege zu gehen, die man noch nie gegangen ist. Diese Partner waren hier die viel gescholtene Degeto, der BR und der SWR.“
Demnächst pirscht der Wüstenfuchs
Remy, Sperl und Hofmann arbeiten bereits an der Verfilmung des Lebens von Erwin Rommel. „Wir zeigen ihn als einen Gespaltenen, der sich von Hitler und seinem perfekten Marketing hat verführen lassen und trotzdem 1944 wusste: Der Krieg ist verloren“, sagt Sperl. Als Rommel ist Thomas Kretschmann im Gespräch, der auch Jürgen Schumann gespielt hat.
Hofmann hat bereits zwei zeitgeschichtliche Doku-Dramen für das ZDF abgedreht: Über Rudi Dutschke und über Helmut Kohl. Außerdem plant er den fiktionalen Dreiteiler. „Unsere Mütter, Unsere Väter“ über fünf Menschen in den Jahren 1941 bis 1946. Hofmann: „Auch das wird radikal in der Genauigkeit des Erzählens sein, ohne jegliche Romantisierung.“
Tina Angerer
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