Ferien in Nordkorea: Das macht "Kim und Struppi" zum Bestseller

Ein Reisebericht über Nordkorea erobert die Bestsellerlisten: Das Buch "Kim und Struppi" steht derzeit hoch im Kurs. Das Geheimnis des Erfolgs verrät Autor Christian Eisert im Interview. Auch wichtige Tipps für angehende Nordkorea-Touristen hat der Comedy-Coach parat.
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Ein Reisebericht über Nordkorea auf Platz zwei der "Spiegel"-Bestsellerliste - Christian Eisert hat mit "Kim und Struppi: Ferien in Nordkorea" (Ullstein extra, 320 Seiten, 14,99 Euro) einen großen Erfolg gelandet. Was das Buch so besonders macht und was er in dem Land alles erlebt hat, erzählt der 1976 geborene TV-Autor, Satiriker und Comedy-Coach im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

"Kim und Struppi: Ferien in Nordkorea" ist bereits ein Bestseller. Das Buch von Christian Eisert hier bestellen

Herr Eisert, wo verbringen Sie diesmal Ihren Sommer-Urlaub?

Christian Eisert: Das wird dieses Mal unspektakulärer als Nordkorea, ich fahre nach Österreich und Italien.

Haben Sie Ihren Trip nach Nordkorea im Nachhinein jemals bereut?

Eisert: Nein, dazu gab es zu viele großartige Erlebnisse. Das war schon eine sehr prägende Reise. Dass es zu brenzligen Situationen kam, hatte ja auch Vorteile, so hatte ich großartige Geschichten zu erzählen. In diesen Momenten war es zwar nervenaufreibend, das muss man aber in Kauf nehmen.

Was war das schönste Erlebnis in Nordkorea?

Eisert: Auf ein Erlebnis kann ich das gar nicht beschränken. Am symbolträchtigsten und beeindruckendsten war sicher der Tanz zu "Tränen lügen nicht" an der Grenze zu Südkorea - mitten in der entmilitarisierten Zone, der gefährlichsten Grenze der Welt. Das war ein Gänsehautmoment. Oder als wir in diesem merkwürdigen mit Stacheldraht umzäunten Wellnesshotel wohnten und einer unserer Reiseleiter vor der Karaoke-Maschine das Lied "Can you feel the love tonight" von Elton John sang, war das ebenfalls ein schöner intimer Moment. Unvergesslich bleiben diese ewig langen, leeren Autobahnen. Links und rechts braune Felder mit Menschen, die bis zu den Knien im Schlamm steckten und mit Hacke und bloßen Händen versuchten, dem Boden etwas abzugewinnen. Oder die tausende Menschen, die in bunten Gummistiefeln die Landstraßen entlangliefen.

Was sollte man als Tourist mitbringen, wenn man nach Nordkorea will?

Eisert: Dieses Land zieht schon merkwürdige Leute an. Die wollen den Nervenkitzel spüren oder hängen der Ost-Nostalgie nach. Menschen aus den USA, Kanada oder anderen westlichen Demokratien finden es toll, mal in eine richtige Diktatur zu fahren. Das ist mir alles sehr suspekt. Es gibt aber auch Touristen, die sonst schon alles gesehen haben und etwas Außergewöhnliches suchen. Auf jeden Fall sollte man als Nordkoreatourist niemand sein, der sagt: Meine Freiheit bestimme ich, was ich tue, ist richtig und was mir andere sagen, mache ich nicht. Da kommt man sehr schnell an seine Grenzen, weil das System stärker ist. Das kann emotional eine Belastung werden.

Haben Sie sich Souvenirs mitgebracht?

Eisert: Ein Kilo nordkoreanischen Berghonig in einem kleinen Holzfässchen mit Brandmalerei. Das Gefäß habe ich noch, der Honig ist schon weg, der war sehr lecker. Auch meine Freunde, die davon gekostet haben, waren begeistert. Es gab Vermutungen, dass er vielleicht radioaktiv verstrahlt war. Und nordkoreanische Bonbons brachte ich mit, die sehen aus wie gefrorene Sojasauce.

Sie haben sich in Nordkorea verfolgt gefühlt - und teilweise auch noch in Deutschland. Ist das heute anders?

Eisert: Ich bin in der DDR aufgewachsen, wo ich als Kind noch mitbekommen habe, dass man aufpassen muss, was man sagt, und wie der Staat auch Freiheiten beschränkt. Meine Mutter konnte beispielsweise ihren Doktor nicht machen, weil sie den Kontakt zu ihrer Schwester im Westen nicht abbrechen wollte. In Nordkorea war ich überzeugt, dass wir beobachtet und abgehört werden, was sich letztlich als wahr herausgestellt hat. Zurück in Deutschland hatte ich kurzzeitig so eine Grundparanoia, die sich inzwischen gegeben hat. Wer das Buch falsch verstehen will, kann mir vorwerfen, dass ich diesem Land auf die Füße trete. Tatsächlich war ich bestrebt, beiden Seiten gerecht zu werden und auch mal eine Perspektive einzunehmen, die nicht immer der demokratiegestählten Rechthaberei entspringt. Korea hat vor seiner Teilung viel unter seinen Besetzern gelitten und Nordkorea hat später durchaus eine gewisse Ungerechtigkeit erfahren, was nichts daran ändert, dass das politische System an sich natürlich höchst kritikwürdig ist.

Ihr Buch ist zu einem großen Erfolg geworden. Denken Sie, Ihre zwei Reiseführer haben im Nachhinein Probleme bekommen?

Eisert: Die sind in dem Buch anonymisiert. Über ein paar Dinge, die passiert sind, habe ich auch nicht geschrieben. Die beiden haben sich allerdings nie negativ über ihr Land geäußert. Manches könnte dennoch fehlinterpretiert werden und dann besteht theoretisch die Möglichkeit, dass sie Probleme bekommen.

Kim Chongun gilt im Westen als Inbegriff des bösen Diktators. Er hat in der Schweiz studiert. Sind Sie enttäuscht, dass er das alte System einfach weiterführt?

Eisert: Er will seine Macht unbedingt erhalten. Repressalien und die Inhaftierung von missliebigen Menschen finden nach wie vor statt. Gleichzeitig setzt er aber kleine Veränderungen durch, vor allem in Pjöngjang, wo die Elite des Landes wohnt. Dort hat sich in den letzten Jahren eine Mittelschicht herausgebildet, die auch über Geld verfügt, das sie ausgeben möchte. Es gibt also mehr westliche Autos, Vergnügungsstätten wie ein neues Delfinarium, für die Kinder Skater-Parks. So soll die Unzufriedenheit unter der Elite im Keim erstickt werden. Auf dem Land ist es aber tatsächlich noch sehr ärmlich und schwierig.

Es gibt auch kritische Stimmen zu Ihrem Buch: Der Titel sei unpassend, auf Menschenrechtsverletzungen werde zu wenig, auf das Gezänk zwischen Ihnen und Ihrer Mitreisenden zu viel eingegangen. Was sagen Sie dazu?

Eisert: Das ist genau die Rasierklinge, auf der ich tanze. Man muss überlegen, für wen "Kim und Struppi" geschrieben ist. Für Nordkorea-Experten? Nicht unbedingt. Die wissen alles und sind vielleicht enttäuscht. Das Buch ist für ein breites Publikum geschrieben und steht momentan auf Platz zwei der "Spiegel"-Bestsellerliste. Das bedeutet, dass das Thema Nordkorea das erste Mal im Mainstream angekommen ist. Ein Grund dafür ist sicher, dass ich aus einer heiteren Perspektive erzähle, ohne Menschenrechtsverletzungen und Hungerkatastrophen zu verschweigen. Ich unterhalte vordergründig, kann aber hintergründig Botschaften und Fakten vermitteln. Leuten, die sagen, wir müssen auf das Elend hinweisen, stößt das sauer auf, das kann ich nachvollziehen. Die Betonung von Elend schreckt die Leute jedoch eher ab. Ein heiterer Ansatz senkt die Hemmschwelle, sich mit dem Thema Nordkorea zu beschäftigen.

Macht das den Erfolg Ihres Buches aus - oder ist es auch die Faszination des "bösen Diktators" Kim Chongun?

Eisert: Das Thema Nordkorea ist bei uns immer negativ besetzt: Man hört von Folter, Hunger, Lager - und vielleicht noch von ein paar kuriosen Meldungen. Nordkorea kann man ja alles unterstellen. Dass alle männlichen Studenten die Frisur von Kim Chongun tragen sollten, stimmt zum Beispiel nicht. Aufmerksamkeit erregt man immer über die Themen Sex, Gewalt oder Humor. Und ich bin der erste, der versucht, mich Nordkorea auf heitere Weise zu nähern, und das funktioniert gut, auch wenn das verwunderlich ist. Ich finde es schön, dass die Leute hier erkennen, dass es in Nordkorea Menschen gibt, die im Alltag durchaus die gleichen Probleme haben wie wir, unter anderem gehe ich in Ansätzen auf das Liebesleben unserer Reisebegleiter ein. Wenn die Menschen Empathie empfinden, gibt es letztlich eher Impulse, sich beispielsweise für nordkoreanische Flüchtlinge zu engagieren.

Und wie haben Sie als Experte den nordkoreanischen Humor empfunden?

Eisert: Ich wurde dort ja aufgefordert, einen Witz zu erzählen und habe dann den einzigen angebracht, den ich für solche Fälle parat habe. Der ist leider in Nordkorea nicht so gut angekommen... Bei den Witzen, die unsere Reiseleiter uns erzählt haben, würde ich auch nicht unbedingt sagen: Lasst das mit dem Atombomben bauen. Werdet Comedy-Stars! Das liegt wohl am kulturellen Unterschied und der Sprachbarriere. Aber unabhängig vom klassischen Witz haben unsere Reiseleiter schon auch Späße gemacht. Das hat manche Situation entspannt - wenn es drauf angekommen wäre, hätten uns unsere Reiseführer trotzdem ohne mit der Wimper zu zucken verraten.

Sie sind mit gefälschten Biografien nach Nordkorea eingereist und haben auch Ihren Nachlass vorher geregelt. Wie hat Ihre Familie reagiert?

Eisert: Nachdem ich das Buch herausgebracht hatte, kam schon öfter der Spruch: Wenn ich das vorher gewusst hätte, dann hätte ich dich nicht fahren lassen. Sowohl von meiner damaligen Freundin als auch von meiner Mutter. Dass das schief gehen hätte können, dessen war ich mir persönlich vorher bewusst. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich sterbe, die Gefahr bestand eher darin, dass wir festgehalten werden.

Ihre gute Freundin Thanh, die mit Ihnen auf der Reise war, hat Sie immer wieder damit aufgezogen, dass Sie aufgrund Ihrer DDR-Vergangenheit besser mit dem System klarkämen. Hatten Sie wirklich das Gefühl?

Eisert: Ja, ich merke das auch bei Lesungen vor Publikum mit Ost-Alltagserfahrung. Diktatur ist ja nicht immer präsent: Wenn man einen Orgasmus hat oder Durchfall, ist gerade mal nicht Diktatur. Dann gibt es aber auch Situationen, in denen man unbedingt aufpassen muss, was man sagt. Diese spezielle Vorsicht kam dann bei mir schnell wieder hoch. Wenn man keine Erfahrung damit hat, sich zu verhalten, fällt es schwer, zu verstehen, dass das System meist stärker ist und diesen Druck auszuhalten.

Wie schwer war es, nach dieser Reise wieder in den Alltag zurückzufinden?

Eisert: Meine beiden Professionen, Gags schreiben und das Vermitteln des Comedy-Handwerks, erfordern eine professionelle Haltung, die unabhängig von der eigenen Befindlichkeit ist. Ich habe auch schon nach Todesfällen in der Familie Gags geschrieben. Das Buch schließt ja nicht klassisch mit dem Ende der Reise ab - und solange ich mich damit beschäftige, ist sie noch nicht zu Ende.

Eine neue Reise dorthin wird es für Sie wohl vor einem Systemwechsel nicht geben...

Eisert: Nein, wahrscheinlich werde ich nach "Kim und Struppi" kein Visum mehr bekommen. Ich bin der Meinung, dass ein plötzlicher Zusammenbruch des Systems das Schlimmste ist, was den Leuten dort passieren kann. Die Tausende von Gefangenen in den Todeslagern sind natürlich froh, wenn sie da raus kommen - es gibt wohl keine grausameren Lager auf der Welt als diese - aber es gibt eben auch noch 24,8 Millionen andere Nordkoreaner, von denen die Mehrheit noch nie ein anderes System kennen gelernt hat. Wenn die mit Kapitalismus überrollt würden, gäbe das große Probleme. Für Südkorea wäre es zudem eine Katastrophe, wenn sie dieses Land wirtschaftlich stützen müssten. Da hatten wir in Deutschland weitaus mehr Glück. Mit der DDR kann man das also nicht vergleichen. Nordkorea braucht einen langsamen Übergang. Mittelfristig fürchte ich aber, dass es zu einem Knall kommen wird. Es gab ja wiederholt starke Machtkämpfe in der Führungselite des Landes, von denen wir hier fast nichts mitbekommen haben.

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