„Familie ist eine Qual“
Die "Bienzle-Partnerin" und "Wilsberg-Kommissarin" ist am Montag in einer neuen Rolle zu sehen: Rita Russek über das permanent schlechte Gewissen und den hinterhältigen Staat.
Bei Ingmar Bergman hat sie gespielt, am Münchner Residenztheater, und später inszenierte sie selbst. Auch dem TV-Publikum ist Rita Russek bekannt. Bis 2007 gab sie im SWR-„Tatort“ die Partnerin von Kommissar Bienzle. Mit der ZDF-Reihe „Wilsberg" übernahm sie 1998 selbst die Rolle einer Ermittlerin. Einen Mord wird es in „Familie ist was Wunderbares“ zwar nicht geben. Russek hat in der Rolle der Christine aber genug andere Probleme: Der Ex sucht immer noch Rat bei ihr, die Tochter lädt ständig die Enkelin bei ihr ab und der eigene Vater vergrault jeden Zivi.
AZ: Frau Russek, Familie ist nicht immer wunderbar, oder?
RITA RUSSEK: Wunderbar wäre ein freiwilliges Bündnis. Familie aber ist selten freiwillig, man hat sie sich ja nicht selber ausgesucht.
Für Christine ist sie eine Qual.
Es sind die Frauen, die sich kümmern müssen – einerseits um die Kindererziehung, andererseits um die Versorgung der Alten. Es wird immer behauptet, Frauen haben es schwer, weil sie Beruf und Familie unter einen Hut bringen müssen. Sie haben es aber schwer, weil der Begriff Familie klammheimlich vom Staat erweitert wird. Die Tochter wird zur Altenpflegerin gemacht. Das finde ich ein bisschen hinterhältig.
Ist die „heilige Familie“ vielmehr eine „heilige Kuh“?
Ich glaube, ja. Das schlechte Gewissen gehört doch immer dazu – das Gefühl, nicht genug zu tun für die Kinder und die Eltern. Man traut sich nicht, auf den Tisch zu hauen, schlachtet die heilige Kuh nicht, denn beim Thema Familie schluchzen ja immer gleich die Geigen.
Beim Ex könnte Christine aber doch mal Nein sagen, oder?
Richtig, aber ich kenne das auch: Eine Beziehung ist zu Ende und man rettet – wenn man Glück hat – eine gewisse Vertrautheit in eine andere Lebensphase. Manche Frauen fühlen sich auch wichtig genommen, wenn sie die Florence Nightingale auf allen Ebenen sein dürfen. Aber natürlich sollte man auch mal ein Risiko eingehen, indem man sagt: Schleich dich und mach’ deinen Dreck alleine.
Zumal Christine einen neuen Partner hat. Sie könnte sich’s doch einfach machen: Heiraten und sorgenfrei leben.
Es sich einfach machen, bedeutet aber auch, die Augen vor einer möglichen Zukunft zu verschließen. Für Christine hieße das: Frühstück machen, Betten lüften, Baden gehen, am Strand liegen, Flüge buchen. Sie würde sich wichtig finden, nur weil sie im Internet ihre Reisen allein zusammenstellen kann. Da ist Frustration doch angesagt.
Sie selbst zieht es doch auch immer wieder in die Toskana.
Aber ohne den Ausgleich, dann wieder „Wilsberg“ zu drehen, hätte das für mich keinen Sinn.
Sind Sie eigentlich traurig, weil’s mit dem Bienzle-„Tatort“ vorbei ist?
Nein, man will ja nicht ewig zusammenbappen bis die anderen sagen: Ja mei, wann hören die denn endlich einmal auf?
Mit der Rolle der Bienzle-Freundin waren Sie auch nicht mehr zufrieden, oder?
Ja, das hatte mit der für meine Begriffe ein bisserl zu engen Sehweise auf die Hannelore zu tun. Ich hatte auch der Redaktion damals schon gesagt, dass mir das zu muffig wird, wenn Hannelore immer nur zu Hause sitzt und fragt: Na, was macht dein Fall. Und dass sie sich dann auch noch geärgert hat, wenn Bienzle wieder weg musste, hat mich geärgert. Er hat halt einen Beruf. Wie blöd ist diese Frau eigentlich, die doch angeblich eine Eigenständigkeit hat? Die Bücher rochen immer so ein bisserl nach Bratkartoffeln.
Wie riechen denn die „Wilsberg“-Bücher?
Gerade hat man mir gesagt, der „Wilsberg“ sei ein Schmunzelkrimi. Es gibt halt viele komische Situationen und das find’ ich schön. Kriminalgeschichten werden ja ununterbrochen erzählt, da finde ich es sehr angenehm, wenn eine mal mit ihren schrägen Typen ein bisschen anders ist.
Interview: Angelika Kahl
„Familie ist was Wunderbares“ zeigt das ZDF Montag, 21. April, 20.15 Uhr