Kritik

"Fallende Blätter" von Aki Kaurismäki

Der 20. Spielfilm des Finnen "Fallen Leaves" ist in seiner Lakonie und Herzenswärme wunderschön
von  Adrian Prechtel
Dinner-Date: Holappa(Jussi Vatanen) und Ansa(Alma Pöysti).
Dinner-Date: Holappa(Jussi Vatanen) und Ansa(Alma Pöysti). © Sputnik Oy / Pandora / Malla Hukkanen

Bei Aki Kaurismäki wird oft vom "letzten Film" geraunt. Aber "Fallende Blätter" ist immerhin sein 20. Spielfilm, nach sechs Jahren Pause. Und wer Aki Kaurismäki im Mai in Cannes erlebt hat, weiß, dass er keine Interviews gibt, keine Rücksicht auf Kommerz nimmt und viel trinkt - was alles nicht für immer gut gehen kann.

Seine Anti-Choreografie auf dem strengen Roten Teppich mit verbotener Zigarette und mürrischem Gesicht war die Schau eines desillusionierten Enfants terrible! Aber man meinte immer auch in seinen Augen ein schalkhaft heimliches Lächeln wahrzunehmen. Anders wäre auch die lakonische Warmherzigkeit seines neuen Films nicht vorstellbar. Und wo Kaurismäki draufsteht, ist auch Kaurismäki zu sehen.

Eine Supermarktangestellte wird wegen eines mitgenommenen, abgelaufenen Sandwichs, das sie in den Abfall hätte werfen sollen, entlassen, ein Arbeiter in der Schrottverwertung wegen Trinkens. Die beiden lernen sich kennen, aber sie verlangt, dass er trocken wird.

Kaurismäki findet dazu melancholisch humorvolle Bilder - wie für Einsamkeit. So muss Ansa (Alma Pöysti) für die erste Einladung in ihre kleine Wohnung erst einmal einen zweiten Teller und zweites Besteck kaufen. Und man spürt, dass ihr Hund als treuer Gefährte auch die Funktion hat, nicht ganz alleine zu sein. Aber Kaurismäki erzählt das nicht brutal, sondern mit Empathie für seine Underdogs und in komplett durchstilisierten Bildern in 50er-Jahr-Farben. Seine proletarische Liebesgeschichte ist zwar antikapitalistisch, indem die Lebenswirklichkeit des Arbeiters und der Angestellten karg ist und sie Spielball von Blockwarttypen und idiotischen Regelungen sind.

Aber es gibt keine Verzweiflung, sondern Solidarität und eben: Liebe. Dazu wimmelt es von Filmklassikeranspielungen durch Filmplakate oder Zitate, auch treffen sich die beiden zum ersten Mal zufällig an der Bushaltestelle nach einem Kinobesuch. Und es tauchen weitere, wunderbar verstaubte Traumorte auf wie ein Kino Ritz, das Pub California und das Buenos Aires Café - sowie viel Tango und finnische Coverversionen von Dean-Martin- oder Carlos-Gardel-Songs. Und 25 Jahre, nachdem Kaurismäki seiner fiktiven Filmband - den Leningrad Cowboys - zu wirklichem Tournee-Ruhm verholfen hat, ist diesmal einen Gastauftritt des finnischen Elektropop-Duos Maustetytöt eingebaut, die in der Bar spielen, in der sich Ansa und Holappa (Jussi Vatanen) treffen.

Der Film ist langsam, lakonisch, altmodisch, auch vorhersehbar, aber einfach schön. So schön wie die verschiedensprachigen Versionen des Herbstliedes "The Autumn Leaves", des Jazzstandards von Joseph Kosma mit dem Originaltext vonJacques Prévert: "Les Feuilles mortes" - Fallende Blätter". Und die sind ja bei aller Herbstmelancholie wunderbar farbenprächtig.

Kino: Leopold, Maxim, Rio, Isabella (alle auch OmU) sowie City, Theatiner (OmU)
R: Aki Kaurismäki (Fin, 81 Min.)

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