Ewiger Hölderlin in Australien

Das 29. Filmfest endet mit Publikums-Lob und Preis – und bestätigt das Konzept des scheidenden Festivalleiters Ströhl
von  Adrian Prechtel

Erschöpft nach sieben Tagen Schlafdefizit gelingt dem scheidenden Festivalleiter Andreas Ströhl lächelnd noch ein Wortspiel zur Erfolgsbilanz des 29. Filmfests München: „Wir zählen unser Publikum nicht nur, wir schätzen es auch!”

Denn andere Festivals schönen ihre Bilanzen, das Filmfest München registriert aber jede an der Kasse ausgegebene Kinokarte: Mit 70000 Zuschauern gelang Ströhl ein sechsprozentiges Besucherplus, das sind 4000 Besucher mehr als im Vorjahr und damit das zweitbeste Ergebnis der Filmfest-Geschichte.

„Als ich mich gegen Glamour und für Filmkunst entschieden habe, war die gesamte Branche kritisch. Aber das Publikum hat mir Rückendeckung gegeben. Ich danke unserem Publikum!”, sagte Ströhl und verweist triumphierend auf das Beispiel eines vierstündigen australischen Dokumentarfilms über ein Hölderlingedicht, der ausverkauft war! Kurz vor der öffentlichen Abschlussfeier im Hof des Gasteig wurde noch der Bayern3-Publikumspreis zusammen mit der Abendzeitung an den Dokumentarfilm „Wader/Wecker – Vaterland” vergeben. Regisseur Rudi Gaul hofft nun, einen Verleih für seinen Film über die Liedermacher Hannes Wader und Konstantin Wecker zu bekommen.

Das Kino als Ort der Versöhnung

Beliebtester Kinderfilm des Festivals wurde „Der Zauberer” von Joram Lürsen aus den Niederlanden. Auch der Fernsehsender und Filmfest-Sponsor Tele 5 hatte in diesem Jahr erstmals einen Zuschauerpreis aus den deutschen Kinofilmen ermittelt. Sieger der Abstimmung im Internet wurde der Ensemblefilm „Frankfurt Coincidences” von Enkelejd Lluca. Ebenfalls am Samstag verliehen wurde der One Future Preis der Interfilm-Akademie. Er ging an das ägyptisch-deutsche Drama „Cairo Exit”. Den Ehrenpreis vergab die Akademie posthum an den Schauspieler, Filmemacher und politischen Aktivisten Juliano Mer-Khamis. Der Direktor des Friedenstheaters im Flüchtlingslager von Dschenin im Westjordanland war Anfang April von einem maskierten Mann vor dem neuen Kino in Jenin erschossen worden.

Diese Preisverleihung schloss an den Bernhard-Wicki-Filmpreis von Donnerstagnacht an, wo das gesamte Projekt „Cinema Jenin” ausgezeichnet worden war: der Versuch in der von Gewalt zerrissenen Stadt, das alte Kino als Ort der Öffnung und Versöhnung wieder aufzubauen.

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