Eventfilm "Die Grenze": Sat1 teilt Deutschland
Im Fernsehen läuft ein Thriller mit provokanter Fiktion: Mecklenburg-Vorpommern spaltet sich als „kleine DDR“ ab. Alles nur ein Hirngespinst? „Nein“, sagt der Staatsrechtler Ulrich Battis.
Mai 2010: Deutschlands Wirtschaft ist am Boden, die politischen Lager radikalisieren sich, die Stimmung brodelt. Als es dann auch noch zu weltweiten Terroranschlägen auf Ölraffinerien kommt und der Sprit knapp wird, gehen die Menschen auf die Barrikaden. In Mecklenburg-Vorpommern, wo Landtagswahlen anstehen, brechen soziale Unruhen aus. Geschürt werden die von der rechtradikalen DNS, der Partei des charismatischen Milliardärs Maximilian Schnell (Thomas Kretschmann), der große Chancen hat, die Wahlen zu gewinnen, und dem linksradikalen Parteiführer Franz Geri (Jürgen Heinrich). Und obwohl auch Geri die Abspaltung des Landes erwägt, unterstützt ihn Kanzlerin Carla Reuer (Katja Riemann). Denn von zwei Übeln scheint er das kleinere zu sein.
Benno Fürmann spielt in dem acht Millionen Euro teuren Event-Film „Die Grenze“, den Sat1 Montag und Dienstag zeigt, die Geheimwaffe der Kanzlerin. Geheimagentin Linda Jehnert (Anja Kling) schleust ihn als Undercover-Mann Rolf Haas in die Machtzentrale des rechten Demagogen Schnell. Und natürlich darf sich Rolf auch verlieben – in seine Ex-Freundin Nadine Manz (Marie Bäumer).
Die privaten Verwicklungen der Hauptfiguren treten in dem Thriller, inszeniert von Roland Suso Richter, aber wohltuend in den Hintergrund. Es ist das brisante politische Gedankenspiel, das fesselt und zugleich erschreckt. Vom Boss persönlich, Teamworx-Produzent Nico Hofmann, stammt die Idee, das Autoren-Duo Christoph und Friedemann Fromm hat sie umgesetzt. Die zentrale Frage: Was wäre, wenn das Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich in Deutschland zu sozialen Unruhen führt?
Doch wie realistisch ist das Szenario, das „Die Grenze“ entwirft? Die Abspaltung eines Bundeslandes – ist das nur ein reines Hirngespinst? „Nein“, sagt Ulrich Battis, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Humboldt-Universität Berlin, der AZ. „Dass das Szenario nicht völlig unrealistisch ist, sieht man allein daran, dass bei den Beratungen zum Entwurf der Verfassung in Thüringen die damalige Fraktion der Linken Liste ausdrücklich ein Austrittsrecht aus der föderativen deutschen Bundesrepublik vorgeschlagen hat. Man wollte sich das Recht sichern, bei Nichtgefallen wieder austreten zu können.“ Im Parlament fand sich dafür zwar keine Mehrheit, aber die Loslösung eines Bundeslandes sei politisch diskutiert worden.
Im gegenwärtigen Europa stellen Sezessionen ohnehin keine politische Utopie dar. „Denken Sie nur an den Zerfall Jugoslawiens“, sagt Battis. „Alle Verfassungen auf der ganzen Welt sind zwar sezessionsfeindlich. So auch das Grundgesetz, das kein Austrittsrecht der deutschen Länder vorsieht.“ Im Zweiteiler „Die Grenze“ geht es aber um eine vereinbarte Teilung, wie sie auch bei der Aufspaltung der Tschechoslowakei statt fand. „Der springende Punkt ist die Anerkennung“, sagt Battis. Und genau diese bekommt die kleine Neu-DDR Mecklenburg-Vorpommern von der Bundesregierung im Film.
Auch dass in wirtschaftlichen Notlagen radikale Kräfte an die Macht kommen, kennen wir aus der politischen Wirklichkeit. „Schauen Sie doch nur nach Holland, ein Land, das unserem sehr ähnlich ist“, sagt Battis. „Bei den Kommunalwahlen der letzten Woche haben die bisherigen Regierungsparteien massiv an Stimmen verloren. Im Juni sind Parlamentswahlen, und die regierenden Parteien haben nun wahnsinnig Angst, dass die rechtspopulistische Wilders-Partei die stärkste Kraft wird.“
Und was wäre, wenn Bayern per Volksentscheid beschließen würde, sich von der Republik abzuspalten? „Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Bund Bayern nicht davon ließe. Käme es hart auf hart, könnte er militärischen Zwang ausüben“, sagt Battis. „Im Film aber geht es um Mecklenburg-Vorpommern, das für den Bund weniger Bedeutung hat und viel fragiler ist. Der Kanzlerin im Film ist das Land einfach nicht so wichtig.“
„Die Grenze“, Sat1, Montag und Dienstag, 20.15 Uhr
Angelika Kahl
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