Es geht um mehr als ein paar Bleistifte

Die Bayerische Staatsbibliothek ächzt unter dem Sparwahn der Regierung und Bayerns Buchbinder mit ihnen
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Die Bayerische Staatsbibliothek ächzt unter dem Sparwahn der Regierung und Bayerns Buchbinder mit ihnen

In Bayerns Kulturinstitutionen herrscht eine trügerische Ruhe: In den Museen, Orchestern und Theatern wissen zwar alle, dass karge Zeiten anbrechen, weil Ministerpräsident Horst Seehofer an einem Haushalt ohne Neuverschuldung festhält und dafür auch den Koalitionspartner FDP gewonnen hat. Aber niemand wollte bisher auf die Alarmglocke schlagen.

Gestern löste sich diese Schockstarre. Die Bayerische Staatsbibliothek ging mit alarmierenden Zahlen an die Öffentlichkeit: Wegen geplanter Einsparungen von 1,4 Millionen Euro fehlt künftig das Geld zum Ankauf von Handschriften und seltenen Drucken. Außerdem müssten tausende Abonnements naturwissenschaftlicher Fachzeitschriften gekündigt werden. Die Sparbeschlüsse hätten „desaströse Auswirkungen auf die Literatur- und Informationsversorgung vor allem der Hochschulen in Bayern“.

Die Staatsregierung hat Ende September beschlossen, die Haushaltssperre im Etat der Bibliothek um zehn auf nun 30 Prozent zu erhöhen. „Das Problem liegt nun wirklich nicht darin, dass wir weniger Bleistifte oder PCs anschaffen können“, stöhnt Generaldirektor Rolf Griebel. Vielmehr würden durch die Sparmaßnahmen die mit den bayerischen Hochschulbibliotheken entwickelten Strukturen der Informationsversorgung zerschlagen. Gleichzeitig sei die Zukunftsfähigkeit der Stabi als eine der wichtigsten internationalen Forschungsbibliotheken gefährdet.

Den Lehrling nicht übernommen

Und es ist auch nicht so, dass die Sparwut nur ein paar Bücherwürmer und Studenten trifft: In Bayern arbeiten 17 Buchbinder für die Staatsbibliothek. Sie sorgen dafür, dass Paperbacks, lose Zeitschriften oder Noten mit festen Einbänden zukunftssicher gemacht werden und bei der Ausleihe nicht zerfleddern.

Der Buchbinder Herbert Heinrich beschäftigt in seinem Betrieb in Rottenburg an der Laaber nahe Regensburg fünf Mitarbeiter und noch einige Teilzeitkräfte. Die Aufträge der Staatsbibliothek machen etwa 50 Prozent seines Umsatzes aus. Wenn diese Hälfte wegbricht, ist wie bei seinen Kollegen Feuer unterm Dach.

Heinrich ärgert, dass die Sparwut aus heiterem Himmel einbricht. „Zur gleichen Zeit verkündet die Staatsregierung, dass die Steuerschätzung erheblich über den Erwartungen liegt“, sagt der Buchbindermeister. Der Bindeetat der Stabi ist von 1,4 Millionen erst auf 900000 Euro gesunken und soll nun auf 250000 Euro eingedampft werden. „Ein Kollege von mir ist nach der Ablieferung seines letzten Auftrags bereits ohne neue Bücher von München nach Hause gefahren“, berichtet Heinrich, der im Sommer seinen Lehrling nach der Ausbildung nicht als Gesellen übernehmen konnte.

Heinrich und seine Kollegen wollen bei der kommenden CSU-Klausur in Kreuth demonstrieren. Wie es aussieht, legt es Bayerns Staatspartei wieder einmal darauf an, mit den Handwerkern treue Stammwähler zu verlieren.

Robert Braunmüller

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