Erotische Langweiler in der Endlosschleife

Ohne Mehrwert: René Polleschs „Eure großen Themen sind weg!” in den Kammerspielen
von  Gabriella Lorenz

Dieser Autor und Regisseur hat ein Problem: Ihm fehlen die Themen. Aber so erfinderisch, wie René Pollesch seit 1999 deutschsprachige Bühnen mit seinem philosophischen Geschwurbel überzieht, macht er natürlich daraus wieder ein Thema. Seine Uraufführung „Eure großen Themen sind weg!” dreht sich um das Fehlen von Liebe, Tod, Gier - und der Kreativität. Vor allem Letzteres ist optisch opulent und inhaltlich mehr als dürftig zu bestaunen in den Kammerspielen. Am meisten staunt man über ein jubelndes Premierenpublikum.

René Polleschs Theate kreist monomanisch um sich selbst und seine Gesellschaftskrititk, die Pollesch Stück für Stück weiterschreibt. Er haut uns die Zeitgeist-Philosophen von Agamben über Baudrillard und Foucault bis Donna Haraway um die Ohren, bis diese dem (Wieder-Er-)Kenner vor Entzücken schlackern und dem Nicht-Kenner vor lauter Theorie-Ödnis abfallen. Wobei Pollesch seine Diskurse immer spekulativ bebildert. Bert Neumann hat ihm einen riesigen, bewohnbaren Totenschädel gebaut – vor dem Rundhorizont einer Großstadt-Brache samt Hochhaus-Panorama.
Da sitzen drei Personen an der Rampe, die ständig vor sich hingackern, dass sich die Welt in zwei Lager teilt: Die, die sich nehmen, was sie wollen, und die Langweiler, die es nicht tun. Immer beim Wort Langweiler fallen die drei kurz erotisch übereinander her - das ist zunächst komisch. Aber nicht mehr nach der 15. bis zur 35. Wiederholung.

Der Totenkopf erweist sich als Hirn der Schauspielerin Katja Bürkle, in das alle anderen – sehr unfrei nach dem Film „Being John Malkovich” – Einlass begehren. Benny Claessens, Cigdem Teke, Franz Beil (der muss dann auch Lynchs „Elefantenmenschen” geben) spielen also „Being Katja Bürkle”, die mit Samuraischwert wieder ihre leistungssportlichen Qualitäten beweist. Mehr als die Hälfte der Inszenierung sind Live-Videos auf einer gelbweißgestreiften Sommermarkise.

In wechselnden Verkleidungen und Perücken sondern alle in Endlos-Wiederholungen ihre mit Pollesch erarbeiteten Erkenntnisse zu Liebe und Tod ab. Mit dem Fazit: Beides ist da, hat aber keinen Gebrauchswert mehr. Es sagt uns nichts mehr. Genau so wie Polleschs Theater, das ja Bewusstmachung erreichen will, dessen Text-Dauerschleifen sich aber nur wie ein Spiralbohrer ins Hirn fräsen und dort eine große Leere hinterlassen. Kein Mehrwert, nirgends. Pollesch landet in unendlich langen 80 Minuten da, wo er angeblich nie hinwollte: beim Schauspieler-Theater. Schlimmer: bei schlechter Theaterei. Wenn auch mit guten Schauspielern.

Kammerspiele, 16., 22., 28. April, 20. 30. Mai, 20 Uhr

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