Ernstfall Walzer

Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker unter Mariss Jansons
von  Volker Boser

Beim nächsten Mal ist wieder alles in österreichischer Hand. Dann steht beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker Wiens Opernchef Franz Welser-Möst am Pult. Und vielleicht geht es dann etwas gemütlicher zu als diesmal: BR-Chefdirigent Mariss Jansons, nach 2006 zum zweiten Mal zu diesem medialen Super-Ereignis geladen, kannte hingegen kein Pardon. Bei ihm erklingt ein Strauß-Walzer wie der symphonische Ernstfall: streng geschniegelter Dreivierteltakt, Tempo-Modifikationen klar strukturiert, voraussehbar, spannend mit Maßen.

Polkas und Märsche werden einem gnadenlosem Rhythmus unterworfen. Mariss Jansons sucht den Kontrast zur Wiener Gemütlichkeit. Die aggressive Gangart des „Danse diabolique" von Hellmesberger hatte wirklich etwas Teuflisches an sich. Die theatralische Einleitung zum „Delirien”-Walzer von Joseph Strauß wurde mit opernhafter Dramatik zelebriert.

Man hätte sich daran gewöhnen können. Doch eine erstmals eingesetzte, zwischen den Lüstern des Wiener Musikvereins hin- und herschwebende Kamera attackierte immer wieder die Konzentration (Bildregie: Karina Fibich). Die Tanzeinlagen wurden live aus dem Schloss Belvedere zugespielt. Der Italiener Davide Bombana hatte sie angemessen choreografiert.

Natürlich weiß Mariss Jansons, dass es beim Neujahrskonzert nicht genügt, den Taktstock zu schwingen, zumal, wenn ZDF und ORF dabei sind. Show muss sein: mal hört der Maestro dem Orchester einfach nur zu, dann holt er aus zur großen Geste, als wolle er alle Welt umarmen. Mittlerweile stehen die TV-Rituale derart im Mittelpunkt, dass sie die Musik geradezu erdrücken. In ein paar Tagen wird es die CD geben (Sony). Und spätestens dann darf man sich auch daran erinnern, mit welch lässiger Natürlichkeit einst ein Dirigent wie Clemens Krauss dieser herrlichen Musik den Himmel öffnete.

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