Erlösung in Zeiten des Kapitalismus
Gleich in zweifacher Hinsicht ist der „Fliegende Holländer“ in diesem Jahr neu: Jan Philipp Gloger hat Wagners romantische Oper für den Hügel neu inszeniert – und aufgrund des Abgangs von Tattoo-Träger Evgeny Nikitin musste sich der Südkoreaner Samuel Youn im Eiltempo in die Produktion einarbeiten. Unser Kritiker Robert Braunmüller sah die Premiere.
Wie kam der der neue Holländer durch die Produktion?
Samuel Youn hat das fabelhaft gemacht, er ist überhaupt eine gute Besetzung für den Holländer. Mir persönlich wäre eine dunklere Stimme lieber.
Regisseur Gloger deutet den rastlosen Seefahrer als Manager im Hamsterrad. Geht das auf?
Das funktioniert, denn durch die Besetzung mit einem Asiaten wird der Kapitalismus zum globalen Problem. Glogers Regie ist psychologisch genau, die Charakterzeichnung der Figuren subtil. Kurz: Die Produktion verzichtet auf den Holzhammer, der in den letzten Jahren in Bayreuth zum Gebrauchsgegenstand wurde. In den Massenszenen schwächelt die Inszenierung, aber sie endet mit einer guten Schlusspointe.
Und Dirigent Christian Thielemann?
Er lädt das Stück nicht sinfonisch schwer auf, und das passt ganz hervorragend zum leichten ironischen Ton der Inszenierung. Das hat mich wirklich überrascht. Musikalische Auffassung und Regie haben in Bayreuth schon lange nicht mehr so gut zusammengepasst.
Hat das Sänger-Ensemble Festspiel-Niveau?
Adrianne Pieczonca steigert sich in der Aufführung beträchtlich. Sie ist zur Zeit sicher die führende dramatische Sopranistin. Die übrigen Sänger sind gut, aber nicht perfekt.
Wie kam die neue Inszenierung an?
Die Sänger wurden enthusiastisch bejubelt, aber das Regie-Team überraschend lautstark ausgebuht. Samuel Youn fiel bei seinem Vorhang auf die Knie und betete offenbar, bevor er ein Bad im Jubel nahm.
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