Eric "Slowhand" Clapton: Kollektive Streicheleinheiten
Sir Eric Clapton ist auf Deutschland-Tour und feiert in der Arena in Leipzig seinen Tourauftakt. Auf der Bühne transportiert er statt buntem Show-Gehabe echte Handarbeit - und stürzt sich in einen echten Blues-Rausch.
Soweit hat es ja kommen müssen im einig deutschen Nichtraucherland: Es gibt keine Gefühlsverstärker mehr! Als Eric Clapton gegen Ende seines zweistündigen Auftritts die Folterspannung löst und mit „Wonderful Tonight“ die Aufforderung zur kollektiven Streicheleinheit aussendet, begleitet kein Feuerzeug die innere Ergriffenheit. Und fürs Handyleuchten als Euphorie-Signal ist das Fan-Volk eindeutig zu alt.
Die Ballade lodert trotz leichtem Gesangs-Engpass auch so bestätigungsfroh bei Claptons Start zur Deutschland-Tour, der eigentlich Freiluft und Entspannung versprach und dann in die Mehrzweckmäßigkeit der (ausverkauften) Leipziger Arena umgelenkt wurde, wo vom Sommer nur Schweißspuren blieben. Und von Erwartungshaltungen eines Hitfeuerwerks lediglich Schmauchspuren. Der 63-jährige Groß-Gitarrist stürzte sich, ganz nüchtern betrachtet, in einen Blues-Rausch – aber wie.
Erinnerungen an alte Weggefährten
Die letzten 20 Jahre rund um den „Pilgrim“-Erfolg werden ausgeblendet, bei dieser Rock’n’Rolle rückwärts ins Langzeitgedächtnis. Bei der traditionell einzigen Zugabe, steht Clapton wieder mit der Erinnerung bei „Derek & the Dominos“ an den „Crossroads“, an den Lebenskreuzungen, die ihn zu Weggefährten und Idolen führen. Zu George Harrison („Isn’t a Pity“ markiert einen Höhepunkt), Robert Johnson und Curtis Mayfield (Männer-Jammern in XXXL: „Here but I’m Gone“).
Für Anwärmer Jakob Dylan, der den Namen seines berühmten Vaters selbstbewusst führt und im Sicherungsnetz eines Quartetts eher Tom Pettys begabtes Kuckuckskind gab, war da erstaunlicherweise kein Platz. Obwohl Clapton auf ausdrücklichen Wunsch Bob Dylans legendären Auftritt auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände vor 30 Jahren eröffnet hatte.
Keine Kompromisse
Keine Kompromisse, keine Attitüde, keine Ablenkungsmanöver. Oder ist die abgewetzte Jeans, in der „Slowhand“ im Halbdunkel, seine Fender-Gitarre umgeschnallt, zupfend auf die Bühne schlendert, immer noch vom italienischen Modeschneider? Egal, Clapton, der sich im Programmheft über schlechte Kopfkissen in Hotels und andere Luxusprobleme eines alternden Weltreisenden amüsiert, setzt entschlossen auf den Sog und die Spielkraft einer neuen, umwerfenden Arbeitsband, die Druck und Dynamik wie am Regler justiert.
Die Neuerung liegt in der Nuance: Doyle Bramhall II genießt als Gitarrist (und Sänger) erstaunliche Freiheiten, der verwitterte Altkumpel Chris Stainton treibt die „Kleine Pik-Dame“ und anschließend „Cocaine“ quer über die Tasten, und Drummer Abe Laboriel Jr. lenkt als Groove-Trommeltier sowieso das Ohr dauernd in Richtung Ginger Baker und „Cream“.
Der Ton macht die Musik
Die Blues-Aufrischung der 60er und 70er Jahre, die mit einem schiebenden „Tell the Truth“ einsetzt und bei einer eruptiven „Layla“ endet, läuft wie geschmiert. Ein Lächeln entfährt dann dem schüchternen Chef in der Mitte, wenn Griffe und Griffigkeit zum einzigen Selbstverständnis werden.
„Running on Faith“ – reine Glaubenssache. Die Videokameras für die Leinwand-Vergrößerung betonen die Kunstwerkschau: Sie transportieren nicht buntes Show-Gehabe, sondern Handarbeit in Nahaufnahme. Der Ton macht die Musik, der Clapton erst recht. Nahezu überirdisch zerschellten die Töne an diesem Abend auf der Klangoberfläche. Auch wenn dem Star mit ewigem „Gott“-Etikett der Vergleich heute noch suspekter sein dürfte als vor 40 Jahren.
Andreas Radlmaier
Eric Clapton und Jakob Dylan treten am Sonntag, 19 Uhr, auf dem Münchner Königsplatz auf.
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