Ergreifen und packen!

Feuchtwanger statt Veit Harlan im Gärtnerplatztheater: Der Komponist Detlev Glanert über seine Oper „Joseph Süß”
Robert Braunmüller |
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Als letzte große Premiere vor der Generalsanierung zeigt das Gärtnerplatztheater ab Samstag die Oper „Joseph Süß” von Detlev Glanert. Sie erzählt die Geschichte des „Hofjuden” Joseph Süß Oppenheimer, der den Prunk des württembergischen Herzogs Karl Alexander finanzierte. Guy Montavon inszeniert, die musikalische Leitung übernimmt Roger Epple.

AZ: Herr Glanert, könnten Sie die Geschichte von „Joseph Süß” in drei Sätzen zusammenfassen?

DETLEV GLANERT: Es geht etwas schief in diesem Land. Wir brauchen einen Schuldigen. Den hängen wir, damit es besser wird.

Der Stoff ist durch den antisemitischen Hetzfilm „Jud Süß” von Veit Harlan belastet.

Meine Oper folgt Motiven des Romans von Lion Feuchtwanger aus dem Jahr 1925, dem ein Drama des Autors zugrunde liegt. Viele der Schauspieler, die bei der Uraufführung gespielt haben, wirkten auch in Harlans Film mit. Feuchtwanger hat deshalb aus dem Exil einen wütenden Brief an Harlan geschrieben. Im Film macht der Jude alles, um zu zerstören. Er ist Instrument einer Weltverschwörung. Feuchtwanger stellt dagegen das Individuum in den Mittelpunkt: Joseph Süß versucht, aus dem Frankfurter Ghetto herauszukommen. Er will besser leben und weg von Beschränkungen.

Warum zog er den Hass auf sich?

Er war ein genialer Finanzmanager des Herzogs von Württemberg, wurde aber in eine politische Intrige verwickelt. Den Tod des Herzogs – bei Feuchtwanger ist es nur ein Schlaganfall – nutzten seine Gegner, um ihm als Sündenbock den Prozess zu machen.

Warum erzählen Sie seine Geschichte als Rückblende?

Die Oper beginnt mit Geräuschen im Kerker: Wassertropfen und fernen Trommeln. Die Rückblende erlaubt es mir, die Geschichte musikalisch als großes Crescendo zu erzählen. Deshalb hat die Oper auch keine Pause.

Was raten Sie Besuchern, die Neue Musik fürchten?

Ruhig Blut! Im Leben wird es immer auch etwas Neues geben. Als Erzähler von Geschichten ist es mir nicht gegeben, emotionslose Musik zu schreiben. Meine Oper hat immer mit Erregungszuständen wie Liebe und Hass zu tun. Auch Neue Musik kann das. Mir wäre es am liebsten, die Leute vergessen, dass die Oper aus dem Jahr 1999 stammt. Sie soll ergreifen und packen!

Was ist Ihre Lieblingsoper unter den Repertoirestücken?

Das wechselt. Aber ich bewundere den zweiten Akt von Puccinis „Tosca”, weil er fantastisch gut gebaut ist. Außerdem kehre ich immer wieder zu Wagners „Tristan” zurück.

Im ersten Fall dominiert die äußere, im zweiten die innere Handlung. Wie ist das bei „Joseph Süß”?

Es ist eine Mischung aus beidem. Ich habe mich beim Komponieren von Opern für das Erzählen von Geschichten entschieden. Zerlegte Strukturen sind nicht mein Fall.

Sie sind also kein knallharter Avantgardist?

Ich möchte im Theater etwas über Menschen erfahren. Alle Versuche, auf der Bühne etwas anderes zu machen, respektiere ich. Aber sie sind nicht meins.

Premiere Sa, 19 Uhr. Auch am 7., 11., 20. und 22. März sowie im April. Karten Tel. 21 85 19 60

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