Erfrischend albern
So reizvoll kann die leichte Unterhaltung sein: Diana Damrau brilliert in Strauss’ „Die Schweigsame Frau“, die von Regisseur Barry Koskyim Prinzregententheater knallbunt serviert wird
Sir Morosus ist cholerisch, ein Hypochonder und kann vor allem eines nicht ausstehen: Lärm! Zurückgezogen lebt er in einem Londoner Vorort. Der australische Regisseur Barry Kosky und seine Ausstatterin Esther Bialas waren sich über die Rentenbezüge eines englischen Admirals offenkundig schnell einig. Ein Podest, darauf ein karges Bett – mehr konnte oder durfte im Prinzregententheater diesmal nicht sein.
Platz genug für jede Menge Albernheiten, zu denen die Komödiantentruppe um den Morosus-Neffen Henry immer wieder lustvoll ansetzen durfte. Die Kostüme knallig und bunt. Jeder Chorsänger durfte in eine andere Opernpartie schlüpfen. Zar Boris, Madame Butterfly, Wotan und Falstaff wurden gesichtet – und eine Hojotoho-beschwingte Walküre mit Baby-Bauch, die sich als Diana Damrau entpuppte.
Salome zeigt Po
Um sie drehte sich alles. Denn Aminta, eigentlich mit Henry verheiratet, soll als „Schweigsame Frau“ dem geizigen Sir Morosus das Geld aus der Nase ziehen, für einen kurzen Moment schüchtern und brav, um dann wie eine Furie dafür zu sorgen, dass dem Alten spätestens im dritten Akt die Lust vergeht.
Richard Strauss und sein Librettist Stefan Zweig haben das Don-Pasquale-Schicksal des grummelnden Seehelden mit allerlei kleinen Sticheleien gewürzt. Vorurteile gegen alles nicht Standesgemäße, Dünkel gegen das Theater – Regisseur Barry Kosky schöpfte aus dem Vollen. In die karge Ruhe des Admirals platzten Henrys Komödianten-Kumpane schrill, laut und aufdringlich. Eine Tänzerin, später als Salome zu erkennen, zeigte Po, ein toter „Lohengrin“-Schwan erinnerte an eine andere Inszenierung der Staatsoper.
„Backstage-Comedy“ hieß das Zauberwort, mit dem die Regie zu punkten versuchte. Und zu Beginn des dritten Aktes, als Aminta das ärmliche Ambiente von Morosus in eine pinkfarbene Scheußlichkeit verwandelt hatte, gab es dafür sogar Szenenapplaus.
Immer eine Träne für die Opfer
Immerhin: wie sich Morosus vom schrulligen Misanthrop zum glücklichen Menschen verwandelte, zeigte Kosky trotz aller effektheischerischen Turbulenzen dann doch recht eindrucksvoll. Franz Hawlata hatte einen großen Abend, blieb unaufgeregt bis zum Schluss und ließ sich, obwohl ihm irgendwann auch eine Torte ins Gesicht geworfen wurde, durch den Klamauk nicht allzu sehr provozieren.
Hinreißend einmal mehr Diana Damrau: kokett, aber immer mit einer kleinen Mitleids-Träne für ihr Opfer, rückte sie die Titelpartie in die Nähe Mozarts, zeigt echte Empfindung und bot dem auftrumpfenden Trubel der Chormassen die Stirn. Toby Spence (Henry) überzeugte vor allem in den schwelgerischen Kantilenen des zweiten Aktes.
Kent Nagano und das Staatsorchester hatten die reizvolle Aufgabe, das bunte Stilgemisch der Musik zu bündeln: altenglische Kammermusik, heiteres Rossini-Parlando, Monteverdi-Zitate und spätromantische Ausbrüche – das alles musste unter einen Hut gebracht werden. Da geriet manches ein wenig unterbelichtet, manches auch zu laut, aber insgesamt war in jedem Takt spürbar, wie witzig dieses geistreiche Potpourri verschiedener musikalischer Epochen sein kann, wenn man es so engagiert serviert wie diesmal.
Am Ende Riesenbeifall für den Dirigenten, für Diana Damrau, Franz Hawlatta und Toby Spence. Und ausnahmsweise kein Buh für den Regisseur: Er hat es allen recht und sich leicht gemacht.
Volker Boser
Wieder am 23., 26. und 30. Juli, Restkarten unter Tel. 2185 1920