Episch, düster, gut
Ist es "Abbitte" oder "There Will Be Blood" oder gewinnen die Coen-Brüder für "No Country for Old Men" den Oscar für den besten Film? Wer verdient die Trophäe? Die AZ hörte sich bei Filmexperten um.
Heinz Badewitz, Chef der Internationalen Filmtage Hof und Programmleiter der Berlinale-Reihe German Cinema: „Von Andersons ,There Will Be Blood’ waren auf der Berlinale Kritiker und Publikum einhellig begeistert, ich selbst konnte noch keinen nominierten Film sehen, außer zwei Kandidaten für den besten nicht englischsprachigen Film, Stefan Ruzowitzkys KZ-Tragikomödie ,Die Fälscher’ und Andrzej Wajdas ,Katyn’ über das Massaker an polnischen Offizieren durch den sowjetischen Geheimdienst 1940. Generell haben ja Filme mit historischem Hintergrund, besonders Geschichten über das Dritte Reich und KZs, wie wir aus den vergangenen Jahren wissen, bei den Academy-Mitgliedern beste Chancen.“
Gerhard Fuchs, BR-Fernsehdirektor und Präsident der Münchner HFF: „Favorit ist ,Abbitte’, wie verschiedene Preise vorab schon signalisiert haben. Die Chancen für ,Juno’, einen Überraschungshit in den USA, sind schwer einzuschätzen, weil man ihn bei uns noch nicht sehen konnte. Dass die anderen Nominierungen, „Michael Clayton“, „No Country for Old Men“ und „There Will Be Blood“ politisch orientierte Geschichten erzählen, ist auf die gesellschaftliche Umbruchsstimmung in den USA zurückzuführen.“
Tobias Kniebe, Filmkritiker der „Süddeutschen Zeitung“: „Ich glaube, dass ,No Country for Old Men’ von den Coen-Brüdern als bester Film durchgehen wird und sich nach den Oscars für ,L.A. Crash’ und ,Departed’ der Trend zu den düsteren Oscars fortsetzen wird. In diesem Bereich, gewaltgeladen und ohne Happy End, werden einfach die besseren Filme gemacht. Und die Coens werden, obwohl sie ja Außenseiter sind, in Hollywood sehr geschätzt. Persönlich bin ich unentschieden zwischen meinen beiden Favoriten, ich finde nämlich auch ,There Will Be Blood’ großartig und gönne den Coens und Paul Thomas Anderson den Oscar.“
Dennis Gansel, Regisseur von „Napola“ und „Die Welle“ (Start: 13.3.): „Ganz stark vorne sehe ich ,There Will Be Blood’. Er kann als Fabel auf den amerikanischen Traum gelesen werden, weil er zeigt, wie sehr die Suche nach Öl, die Gier nach Erfolg die Menschen korrumpiert und die ganze Gesellschaft verändert hat. Ich habe festgestellt, nachdem wir vom Sundance Festival zurückkehrten, dass die US-Gesellschaft extrem im Unreinen mit sich ist, alles Selbstbewusstsein verloren hat. Das führte zu einer starken Selbstreflexion. Beim besten fremdsprachigen Film bin ich mir nicht sicher, ob der österreichische Beitrag ,Die Fälscher’ Chancen hat. Es gab doch recht viele Filme über das Dritte Reich in den letzten Jahren. Wobei wir natürlich alle Stefan Ruzowitzky die Daumen drücken.“
Fritz Preßmar, Betreiber des Filmtheaters am Sendlinger Tor und des Tivoli: „Dass die meisten Filme eher düster sind, halte ich für einen Zufall. Im Filmgeschäft lassen sich Produktionszeiten schwer planen, so dass es nicht immer gelingt, gleichmäßig jährlich gute Komödien, Dramen und Actionfilme rauszubringen: Mein Favorit ist ,Michael Clayton’, weil er ein aktuelles Thema – Korruption in Wirtschaft und Politik – mit einer klaren Aussage mit einer Starbesetzung anspricht. Und wenn der Academy das Angebot zu düster war, gibt es ja noch die Komödie ,Juno’, das wäre als Oscar für den Besten Film mutig, weil der Film erfrischend ist, aber auch etwas schräg.“
Harald Martenstein, Autor und Filmkritiker beim Berliner „Tagesspiegel“: „Dass der eindeutige Berlinale-Favorit ,There Will Be Blood’ nur mit Silber abgefunden wurde, hat seine Chancen bei der Academy gewiss nicht geschmälert. Der Film hat einen Oscar verdient, er ist überdurchschnittlich gut, episch, düster, ernsthaft – und hat damit alle Oscar-Qualitäten.“