Enten- und Hühnerbraterei: In der Ruhe liegt die Kraft
Wiesnkritik: Himmlische Ruhe in der blaskapellenlosen Enten- und Hühnerbraterei Heimer an der Wirtsbudenstraße
Der rappende Schichtl bringt die Ohrlymphenflüssigkeit zum Sieden. Mit Fehlzündungen und Motorengeknatter dreschen die Steilwandfahrer aufs Trommelfell. Wenn ihr Direktor mikrofonverstärkt um eine Spende für verunfallte Artisten bittet, kapitulieren die mit der Ohrenschmalzherstellung beschäftigten Ceruminaldrüsen.
Die Sinneshärchen erschaudern ob der vom Tonband verkündeten Geschichte des Flohzirkus. Das elastische Häutchen des Ovalen Fensters erzittert, wenn sich die Krinoline mit ihren lustigen Musikanten dreht. Soweit der eine heil gebliebene Lauscher reicht, scheppern grässlichste Schlager. Die Wiesn-Kakophonie stellt die kühnsten Klangfantasien von Charles Ives oder Edgard Varèse ins schalltote Abseits.
Nirgendwo wird Oropax verkauft. Wie dem entkommen? Das Zelt der Enten- und Hühnerbraterei Heimer schafft Erlösung. Keine Kapelle fand dort ein Engagement. Konservenmusik war nachmittags auch nicht vernehmbar. Wir vermuten keinen Defekt der Gerätschaften, sondern unerschütterliche Prinzipientreue: Erst in der Stille, von fernem Hmta, hmta, hmtatätä unterstrichen, klingt der Geschmacksakkord aus gebratener Ente und Blaukraut, untermalt vomKontrapunkt der Kartoffelknödel und dem Basso Continuo des Wiesnbiers wirklich gut.
Robert Braunmüller
- Themen: