Ende der Götterdämmerung
Altersstarrsinn wird einsichtig: Mit der Mitteilung, er könne sich ein Führungs-Tandem aus seiner 29 Jahre alten Tochter Katharina und ihrer 33 Jahre älteren Halbschwester Eva Wagner-Pasquier vorstellen, hat Wolfgang Wagner überrascht. Er scheint bereit zur Abdankung. Bravo!
Manchmal gibt es doch noch Wunder. Mit der Mitteilung, er könne sich künftig auf dem Grünen Hügel ein Führungs-Tandem aus seiner 29 Jahre alten Tochter Katharina und ihrer 33 Jahre älteren Halbschwester Eva Wagner-Pasquier vorstellen, hat Festspielchef Wolfgang Wagner die Öffentlichkeit völlig überrascht.
„Ich halte das für die beste Lösung“, sagt Peter Ruzicka, der neben dem Dirigenten Christian Thielemann zu Katharina Wagners Bewerbungsteam zählte. Der Münchner Biennale-Chef wirkte erleichtert: „Das wird ein Selbstläufer. Der Streit hat ein Ende. Die beiden Damen können sofort beginnen. Ich komme wieder zum Komponieren und freue mich auf Ehrenkarten.“
Noch bis vor kurzem schien der 88-Jährige Festspielpatriarch allein auf die von ihm favorisierte Katharina zu setzen. Wagner teilte die neue Leitungsvariante in einem persönlichen Schreiben an die mäzenatische „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth“ mit, so Festspielsprecher Peter Emmerich. In dem vom 8. April stammenden Brief habe Wagner zugleich angedeutet, er wolle sein auf Lebenszeit verliehenes Amt als Geschäftsführer in absehbarer Zeit niederlegen.
Dass sich die zerstrittenen Halbschwestern zusammenraufen könnten, schien angesichts der komplizierten Familienpsychologie unwahrscheinlich. Befreiend wirkte anscheinend der plötzliche Tod von Wagners zweiter Frau Gudrun im vergangenen November. Die 1976 geschlossene Ehe gilt als Quelle des Zerwürfnisses zwischen dem Festspielchef und seiner ersten Tochter, die bereits 2001 vom Stiftungsrat der Festspiele zur Nachfolgerin designiert wurde. Noch vor kurzem hatte Eva Wagner-Pasquier, die internationale Opern-Erfahrung vorweisen kann, mehrfach die künstlerische Kompetenz der Rivalin in Zweifel gezogen. Auch Katharinas Glamour-Selbstdarstellung war ihr stets suspekt.
Den Ausschlag für die Versöhnung dürfte das Geld gegeben haben: Vor dem Hintergrund der finanziellen Schieflage der Festspiele drängten vor allem der Bund und der Freistaat Bayern, aber auch die in der „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth“ zusammengeschlossenen Sponsoren auf eine Lösung der quälenden Nachfolgefrage. Der Stiftungsrat der Festspiele hatte alle an der Nachfolge interessierten Familienmitglieder dazu aufgerufen, bis zur nächsten Sitzung am 29. April ihre Konzepte vorzulegen.
Keiner der Verantwortlichen wollte eine Wiederholung des Desasters von 2001. Damals hatte Wolfgang Wagner seinen Rücktritt angekündigt. Als er jedoch feststellen musste, dass dabei die von ihm als Nachfolgerin favorisierte Ehefrau Gudrun ohne Chance war, berief er sich trotzig auf seinen Lebenszeit-Vertrag und erklärte die Nachfolge-Debatte für beendet. Vor allem die mit Millionenzahlungen am Bayreuther Etat beteiligten Vertreter von Bund und Freistaat hatten sich damals düpiert gefühlt.
Wegen ihres strikten Regietheaterkurses galt Katharina Wagners alleinige Bewerbung im Stiftungsrat wenig erfolgsträchtig. Die Verliererin ist Eva Wagner-Paquiers ehemalige Verbündete: ihre scharfzüngige Cousine Nike, die 1999 ein Konzept vorgelegt hat, das die Einbeziehung der Frühwerke Wagners und die jährliche Vergabe von Kompositionsaufträgen durch die Festspiel vorsah. Von ihrer zukünftigen Rolle war gestern keine Rede.
RBR