Ende der Engelsgeduld
Die Münchner Philharmoniker erläutern in einer Presseerklärung, warum sie nicht ganz so hundertprozentig hinter Christian Thielemann stehen, wie dieser zuletzt behauptet hatte
Der Lateiner nennt es eine „captatio benevolentiae“: Nach einer Schmeichelei lassen sich Kröten leichter schlucken. Und so beginnt die Erklärung des Orchestervorstands der Münchner Philharmoniker mit Worten des Bedauerns: „Das Orchester hätte sehr gerne auch über 2011 hinaus mit Herrn Thielemann auf diesem hohen künstlerischen Niveau der letzten Jahre weitergearbeitet.“
Fast zwei Wochen reifte das knappe Papier: Das hat mit dem auch unter Musikern geläufigen Korpsgeist zu tun, und dem Bemühen, nicht Öl ins Feuer zu kippen. In der Sache bleibt der Orchestervorstand hart: Jenseits der „einzigartigen Qualität der musikalischen Arbeit“ habe es im „administrativen Miteinander“ von Thielemann, Intendant Paul Müller und den Musikern zunehmend Konflikte gegeben, „die letztlich den Wunsch des Orchesters nährten, Entscheidungskompetenzen anders zu gestalten“.
Wer ist der Mächtigere?
Der Dirigent hat den angebotenen Vertrag nicht unterschrieben, weil ihm kein Letztentscheidungsrecht über das Engagement und die Programme von Gastdirigenten zugebilligt wurde. Im Konfliktfall sollte nach einem mehrheitlichen Votum des Orchesters der Intendant das letzte Wort erhalten. Thielemann wollte dies nicht akzeptieren, weshalb der Stadtrat eine Verlängerung ablehnte.
Bei der Berliner Staatskapelle findet es Daniel Barenboim reizvoll, einen Mahler-Zyklus mit dem ganz anders gestrickten Pierre Boulez zu teilen. Thielemann hütet dagegen sein Repertoire eifersüchtig. Das Orchester weist seine Befürchtungen zurück: Ihm sei vertraglich zugesichert worden, „dass von ihm aufgeführte Werke in der selben Saison für Gastdirigenten selbstverständlich gesperrt sind“.
Er kann unterschreiben
Auf Thielemanns erklärte Hoffnung, „dass die Entscheidung des Stadtrats – so abschließend sie auch klingt – nicht das Ende der Gespräche bedeutet“, geht der Orchestervorstand ebensowenig ein, wie auf die Verhandlungen des Dirigenten mit der Staatskapelle Dresden.
Christian Ude sagte gestern, der Dirigent könne den Vertragsentwurf des Kulturreferats noch unterschreiben, neue Verhandlungen gäbe es jedoch nicht. Die Stadt habe eine parteiübergreifende „Engelsgeduld“ mit Thielemann bewiesen, aber eine Ablösung von Paul Müller, der vor einem Jahr als Wunschkandidat Thielemanns nach München geholt wurde, käme nicht in Frage.
Robert Braunmüller