Emanzipierte Mätresse

Schöne Hommage an eine starke Frau: "Coco Chanel - Der Beginn einer Leidenschaft" erzählt das Leben der Stil-Ikone mit einer glänzend charmanten Audrey Tautou.
von  Abendzeitung

Schöne Hommage an eine starke Frau: "Coco Chanel - Der Beginn einer Leidenschaft" erzählt das Leben der Stil-Ikone mit einer glänzend charmanten Audrey Tautou.

Männer machen es sich leicht. "Ich werde heiraten. Aber das ändert nichts zwischen uns", sagt der junge englische Gentleman zu seiner französischen Geliebten. "Doch", sagt sie bestimmt.

Emanzipation kann so sexy sein. Gerade wenn Audrey Tautou im einfachen Ringel-Pulli, den sie von einem Fischer hat, im Edel-Badeort Deauville auftaucht, am Arm des reichen Arthur "Boy" Capel.

Immer wieder scheitern Coco Chanels Lieben an der sozialen Konvention der Ehe: Ihre Männer heiraten standesgemäss und nicht eine Tochter eines Fliegenden Händlers aus der Loire-Gegend.

"Das einzig Schöne an der Liebe ist, Liebe zu machen. Schade, dass man einen Mann dazu braucht", sagt sie frech als Provinz-Sängerin. Später wird sie Männer lieben und benutzen, um nach oben zu kommen, aber letztlich wird sie auch ungebunden bleiben.

Diese Provokation - nicht nur in der Belle Epoque - fängt der Film "Coco Chanel - Der Beginn einer Leidenschaft" wunderbar ein. Und es ist seine Stärke wie auch das dezente Spiel Audrey Tautous, dass der Zuschauer nicht mit dem politisch korrekten frauenrechtlerischen Zeigefinger genervt wird.

Vielmehr bilden Selbstbewusstsein, Erotik und Stil einen schönen Dreiklang, aus dem sich das Leben der Coco Chanel erfahren lässt - bis zu ihrem Durchbruch mit ihrer Pariser Boutique schon vor 1920, als Art-Deco weniger Chi-Chi forderte und Coco später das Kleine Schwarze als praktische Eleganz erfand und mit Chanel No. 5 nicht nur Marilyn Monroe den Duft von Erotik und Weiblichkeit gab.

Nichtehelich wurde Chanel 1883 als Gabrielle Bonheur Chasnel in Saumur an der Loire geboren. Sie wuchs in einem Waisenhaus bei unbarmherzigen Schwestern auf und sang sich durch in bordell-ähnlichen Provinz-Kaschemmen. Hier trägt sie ihr Vaudeville-Chanson vor, über ein entspringendes Hündchen, Coco. Sie kann sich nicht wehren, dass Freier sie als Freiwild jetzt "Coco" nennen, trägt den Kosenamen dann einfach mit Stolz und wird mit Anfang 20 Mätresse eines versnobten Industriellensohnes, bei dem sie klug und hartnäckig durchsetzt, dass er sie in die Gesellschaft einführt.

Natürlich ist der Film von Regisseurin Anne Fontaine eine geschönte Hommage an diese starke Frau. Aber es bleibt interessant, dass der Film konfliktscheu - wie auch ein zweiter, der gerade in Frankreich läuft und die Affäre mit Igor Strawinsky beschreibt - die Zeit der Besetzung Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht weglässt. Denn eine nicht mehr junge Coco Chanel, die sich im Hotel Ritz den Sonderbeauftragten des Reichspropagandaministeriums, Hans Günther von Dincklage, als Liebhaber hält, ist für Ikonen-Malerei ein wenig zu problematisch.

Adrian Prechtel

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