Elfe in den Reifejahren
Sie war das Gesicht der Neunziger, zog sich nach Skandalen zurück und ist wieder da: Wie lebt und spielt Winona Ryder heute?
Eine Ikone der Generation X feiert ein glänzendes Comeback. Und das gleich mit zwei Filmen: dem Drama „Black Swan“ und ab Donnerstag auch in der Komödie „Dickste Freunde“.
AZ: Mrs. Ryder, 2002 hatten Sie ein Problem nach Ihrem „Einkauf“ im Nobelkaufhaus Saks. Tut so ein Comeback jetzt nicht richtig gut?
WINONA RYDER: Ich hatte mich eine Zeitlang etwas zurückgezogen – und zwar freiwillig.
Hatten Sie eine Midlife-Crisis?
Nein. Im Gegenteil: Ich habe viele meiner Ängste und Selbstzweifel, die mich früher so geplagt hatten, inzwischen überwunden. Als ich so Mitte 20 war, habe ich manchmal geglaubt, langsam wahnsinnig zu werden. Das ganze Leben war so intensiv… Ich fühlte mich oft überfordert. Aber das ist Schnee von gestern. Heute schaue ich optimistisch in die Zukunft.
Woran liegt das?
Der wichtigste Schritt war, dass ich vor einiger Zeit meinen Hauptwohnsitz von Los Angeles nach San Francisco verlegt habe. Ich lebe jetzt in der Nähe meiner Eltern. Außerdem sind hier meine besten Freunde. Sean Penn ist quasi mein Nachbar. Francis Ford Coppola lebt dort und viele aus der ehemaligen Hippie-Szene, in der ich damals aufgewachsen bin. Wie Lawrence Ferlinghetti, dessen Buchladen City Lights praktisch mein zweites Zuhause ist. Ich sammle Erstausgaben! Ich habe ganz kostbare Erstausgaben von Faulkner, Steinbeck und natürlich von meinem Lieblingsschriftsteller Salinger. Sein Buch „Der Fänger im Roggen“ besitze ich mindestens in 20 verschiedenen Ausgaben.
Woran erinnern Sie sich?
Leider war ich damals noch zu klein, um alles zu begreifen, was um mich geschah. Aber an meinen Patenonkel Timothy Leary, den Psychologen, Autor und Drogen-Guru, kann ich mich noch gut erinnern. San Francisco hat noch einen Vorteil gegenüber Los Angeles: Dort kann ich mich frei bewegen. In Los Angeles werde ich auf Schritt und Tritt von Paparazzi verfolgt. Ich kann nicht einmal den Müll rausbringen. Kurz gesagt: In San Francisco blühe ich auf – in L.A. verkrieche ich mich in mein Schneckenhaus.
Sie stehen seit über 25 Jahren vor der Kamera. Wie hat Sie das geprägt?
Zu Beginn meiner Karriere habe ich mich fast dafür geschämt, Schauspielerin zu sein, weil das eine ziemlich oberflächliche Art und Weise war, sein Geld zu verdienen. Im Laufe der Zeit hatte ich das große Glück, mit so genialen Leuten wie Francis Ford Coppola, Martin Scorsese, Jim Jarmusch, Al Pacino, Gena Rowlands und Daniel Day-Lewis zusammenzuarbeiten. Das hat mir die Augen geöffnet . Sie haben mir gezeigt, das Kino auch Kunst sein kann. Und jetzt versuche ich wieder meinen Platz in Hollywood zu finden – und das ist mit 39 Jahren schon nicht mehr so leicht. Ich bin für die jungen Frauen-Figuren nicht mehr jung genug und als ältere Frau tauge ich auch noch nicht richtig. Das bereitet mir gelegentlich schlaflose Nächte. Lange Zeit war ich immer die Jüngste am Set und habe mir ständig gewünscht, endlich viel älter zu sein. Jetzt muss ich mich eben wieder neu erfinden. Wie es aussieht, bin ich mit fast 40 nun endlich Frau geworden.
Was hat Sie gereizt, bei „Dickste Freunde“ mitzumachen?
Ich bin ein Fan von Regisseur Ron Howard und auch von Vince Vaughn. Er sprüht nur so vor Ideen! Ich spiele eine Frau, die ihren Mann schamlos mit dessen Freund betrügt. Und dann auch noch mit Channing Tatum! Wir haben sogar eine ziemlich heiße Sex-Szene zusammen.
Ist in einer Beziehung Treue wichtig?
Jede gute Beziehung ist doch auf gegenseitiges Vertrauen aufgebaut, das durch einen wie auch immer gearteten Seitensprung schon empfindlich gestört werden würde.
Benützen Sie Ihre schauspielerischen Fähigkeiten auch beim Flirten?
Nein, das nun ganz und gar nicht. Aber wenn ich mich mit einem Lover mal so richtig gefetzt habe, hatte ich manchmal schon den Eindruck, dass wir uns gerade in einem Film befinden. Es fällt mir auch nicht immer leicht, an Liebesschwüre zu glauben. Im Hinterkopf sitzt da immer der Verdacht: „Sagt er mir jetzt gerade einen Drehbuch-Text vor?“
Planen Sie, eine Familie zu gründen?
Ich hatte viele Jahre einen Zettel mit einem Satz von John Lennon am Kühlschrank kleben: „Das Leben ist genau das, was dir passiert, wenn du gerade damit beschäftigst bist, andere Pläne zu machen.“ Das beherzige ich auch heute noch.
Ulrich Lössl
- Themen:
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