Eleganz der Haltung
Premiere beim Staatsballett: Der spanische Choreograf Nacho Duato über sein Ballett „Vielfältigkeit“ zur Musik von Johann Sebastian Bach und die schwierige Anreise aus Madrid
Am Wochenende sorgte Nacho Duato für den letzten Schliff bei seiner Choreografie mit dem sperrigen Untertitel „Formen von Stille und Leere“, die ab Mittwoch um 19.30 Uhr im Nationaltheater zu sehen sein wird.
AZ: Herr Duato, wie war die Reise?
NACHO DUATO: Schwierig. Meine Compagnie gastiert derzeit im Uruguay. Ich kam über Madrid, wo die Taxis streiken. Ich war noch nie in der U-Bahn – nicht, weil ich ein Divo bin, sondern weil ich einfach lieber zu Fuß gehe oder mit dem Rad fahre. Am nächsten Tag kam ich mit dem Taxi am Flughafen an. Die Streikenden nahmen den dort Ankommenden die Koffer weg und warfen den Inhalt auf die Straße. Ich bin schleunist umgedreht und habe für den nächsten Tag einen Chauffeur engagiert.
Warum choreografieren Sie Johann Sebastian Bach?
Mein Gott, eigentlich sollte keiner diese Musik anrühren. In der ursprünglichen Version des Balletts, die 1999 in Weimar gezeigt wurde, habe ich zur Aria aus den „Goldberg-Variationen“ den Komponisten um Erlaubnis gebeten. Am Ende kehrte ich zur gleichen Musik zurück, um ihm zu danken und meine Hände in Unschuld zu waschen. Für München habe ich eine andere Lösung gefunden, damit es auch ohne mich geht.
Was haben Sie sonst geändert?
Nichts, außer dass ich selbst nicht mitwirke.
Welche Musik haben Sie ausgewählt?
Es war schwer, weil ich Bach sehr liebe. Die Passionen und die h-moll-Messe wollte ich nicht antasten, davor habe ich zu großen Respekt. Ich würde auch nie ein „Requiem“ von Mozart, Verdi oder Fauré choreografieren. Aber bei den Cello-Suiten, Ausschnitten aus Kantaten und abstrakter Musik wie der „Kunst der Fuge“ halte ich das für möglich. Die Auswahl der Musik hat mich viel Energie gekostet. Dafür habe ich zwei Jahre gebraucht, für den Tanz vier Wochen.
Warum kommt die Musik vom Band?
Weil ich die besten Musiker haben wollte: Den Geiger Yehudi Menuhin, Glenn Gould für die „Goldberg“-Variationen oder Anner Bylsma in den Cello-Suiten. Außerdem bekommt man keinen Chor für drei Minuten und auch mit der Orgel wäre es schwierig. Außerdem gibt es so viele alte und moderne Stile, Bach zu spielen: Damit wollte ich verdeutlichen, dass jeder Abschnitt des Lebens anders ist als der vorhergehende.
Erzählt Ihr Ballett eine Geschichte?
Nicht wirklich. Bach steht zwar auf der Bühne, aber sonst bleibt alles abstrakt. Ich weiß, dass die Leute überall Geschichten suchen, selbst in einem abstrakten Gemälde von Mark Rothko. Aber die Frage „Was bedeutet es?“ ist weniger wichtig. Viele Künstler wissen gar nicht, was sie sagen und warum sie es tun.
Stimmt es, dass Bach am Ende von „Vielfältigkeit“ stirbt?
Schon, aber mehr, weil das zum unvollendeten Contrapunctus XIV passt. Bach ist nur die durchgehende Linie meiner Choreografie, ich habe nicht sein Leben vertanzt.
Wo stehen Sie stilistisch?
Ich bin klassisch ausgebildet und choreografiere für Tänzer, die es auch sind. Anmut ist mir besonders wichtig. Nur die klassische Technik erlaubt eine Bühnenpräsenz und Eleganz der Haltung, wie sie für meine Arbeiten wichtig ist.
Robert Braunmüller
Auch am 26. und 28. 12., 8. und 11. 1., Karten Tel. 21 85 19 20