Elegante Engel und flotte Propheten, Muskelmänner und ein zarter Sultan
Unter dem Titel "Die Wunder der Schöpfung“ präsentiert die Bayerischen Staatsbibliothek in einer Ausstellung Kalligraphien, Miniaturen, Buchmalereien und Koranhandschriften.
Etwas bedröppelt schaut der junge Löwe, getadelt von der wissenden Mama. Ein paar Meter weiter lassen zwei breitschultrige Glatzköpfe unter den Augen eines zarten Sultans die Ringermuskeln spielen. Und geradezu filmreif ist die Illumination einer persischen Handschrift aus dem 16. Jahrhundert: In einem Meer goldgleißender Flammen reitet der Prophet Mohammed in den nächtlichen Sternenhimmel auf, umflattert von eleganten Engeln.
Aus der „Schatzkammer der Geheimnisse“ stammt diese erlesene Buchmalerei, einer Sammlung von Lehrgedichten des Dichters Nizami – und sie macht schnell klar, dass man etwas genauer hinschauen sollte. Dann nämlich wird man in den vermeintlich stillen Miniaturen islamischer Handschriften aufregende Szenen entdecken, in erstaunlichen Farben und reichen Formen. Fantasievoll, delikat und manchmal verschwurbelt, so wie die zunächst fremden und oftmals doch so nahen Geschichten aus dem Orient, von Firdevsî-i Rûmî und anderen.
82 Exponate aus dem überraschend reichen Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek sind hier unter dem Titel „Die Wunder der Schöpfung“ fein präsentiert. Der Teil, der schon 1910 begleitend zur großen Ausstellung von „Meisterwerken Muhammedanischer Kunst“ zu sehen war, im Fürstensaal, die Neuerwerbungen der letzten 100 Jahre in der Schatzkammer nebenan. Hochwertige Kalligraphien, persische und türkische Miniaturen, Gebetbücher und Koranhandschriften, deren Vorbesitzer – Äbte, Kirchenhäupter, sogar Père Lachaise, der Beichtvater des Sonnenkönigs – ein geradezu verblüffendes Interesse an der fremden Kultur hegten. Und womöglich weiter über den Tellerrand geblickt haben, als wir das heute glauben zu tun.
Christa Sigg
Bayerische Staatsbibliothek, bis 5. Dezember, Mo bis Fr 10 bis 17, Do bis 19, Sa und So 13 bis 17 Uhr, www.bsb-muenchen.de