Einfach nur klug kalkuliert

Herkulessaal: Pianist Igor Levit könnte eine gute Portion mehr Spontaneität vertragen
von  Volker Boser

Den Beifall zwischen den Stücken verbat er sich: nicht mit energischer, abweisender Geste, sondern in prächtig inszenierter Körperhaltung: die Augen geschlossen, die Hände weiterhin auf den Tasten lastend – der 24-jährige, in Deutschland lebende Russe kettet auf diese Weise die unterschiedlichsten Werke aneinander, unabhängig davon, ob das für die Zuhörer Sinn macht oder einfach nur ihm hilft, die Konzentration aufrecht zu erhalten.

Im Prinzregententheater gab sich Igor Levit darüber hinaus als einer jener Pianisten, die vor lauter Grübeln manch aufregenden Moment schlicht übersehen: etwa in Beethovens „Sturm”-Sonate (Op. 31/ 2). Die langsamen Arpeggio-Akkorde, mit denen der erste und zweite Satz beginnen und die wiederholt als Stilmittel eingesetzt werden, erklangen wunderbar leise, die dramatischen Momente wurden aber zumeist mit dynamischen Effekten garniert, die auf Brahms wiesen, aber spannungslos vorüber zogen.

Igor Levits Klavierton zeigte sich auch bei der einleitenden, sehr verbindlichen Passacaglia von Johann Caspar von Kerll (1627-1693) sowie danach in Bachs berühmter Chaconne, für die linke Hand bearbeitet von Brahms, als wenig nuancenreich: voluminös in den Ausbrüchen, aber ohne Klang-Varianten.

Am besten gelang Liszts „Dante”-Sonate. Da waren die exaltierten Momente mit grandioser Nachdrücklichkeit eingefangen. Zuvor, bei den ruhigeren Liszt-Stücken (Sposalizio, Il Penseroso, „Petrarca”-Sonett Nr. 3) dominierte eine vorhersehbare Einförmigkeit, die nicht angemessen war. Spontaneität und der nachschöpferische Mut zum Risiko fehlten. Beides lässt sich nicht durch lediglich klug kalkuliertes Musizieren ersetzen. 

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