Einfach glücklich
Die französische Filmschauspielerin (geehrt in Cannes für „Antichrist“) und Sängerin über ihren Mut zu Tabubrüchen und ihre neue CD „IRM“
Es war ein Erfolgsjahr für Charlotte Gainsbourg – als Filmschauspielerin (für ihre Rolle in Lars von Triers Sexdrama „Antichrist“ erhielt sie den Darstellerpreis in Cannes, „The Tree“ ist fast fertig) und als Sängerin. Ihre neue CD, aufgenommen mit US-Songwriter Beck, heißt „IRM“, eine „französische Abkürzung für eine MRT, eine Magnetresonanztomographie“, wie Gainsbourg erklärt.
AZ: Frau Gainsbourg, Sie haben ja gar keinen französischen Akzent.
CHARLOTTE GAINSBOURG: Als Kind hatte ich einen sehr starken. Als ich 21 war, bat mich mein Onkel Andrew Birkin, eine Rolle in seinem Film „Der Zementgarten" zu übernehmen, und dafür war es nötig, dass ich als Engländerin durchgehe, wofür ich einen Sprach-Coach benötigte. Danach habe ich diesen englischen Akzent gepflegt. Er klang mir so vertraut durch meine Mutter Jane Birkin. Trotzdem habe ich Lücken in meinem Vokabular.
Der Rhythmus Ihres CD-Titelsongs „IRM" wird von dem Geräusch bestimmt, welches das Gerät verursacht.
Ja, nach einem Wasserski-Unfall musste ich viele MRT-Untersuchungen über mich ergehen lassen. Ich hatte das Gefühl, dass dabei großartige Sounds entstehen. Und so habe ich Beck diese Rhythmen vorgespielt, er verarbeitete meine Idee in einem Song.
Sie haben Beck auch Textpassagen und Themen für die anderen Songs geliefert?
Beck hat mich zum Schreiben ermutigt. Er betonte, wie leicht es sei, man müsse nur den ersten Schritt tun, der Rest würde sich schon von selbst ergeben.
Ist das so?
Naja, ich fand das Schreiben extrem schwer. Zwar habe ich einige Worte festgehalten, aber es waren nur Ideen. Tag für Tag waren wir in Becks Studio, in seinem Haus, und da haben wir herumgekritzelt auf der Suche nach interessanten Ideen. Es war wunderbar: Jeder schrieb für sich im selben Raum, dann zeigte er mir, was er sich ausgedacht hatte. Bei ihm wirkte alles so einfach.
Wie war die erste Begegnung?
Er fragte mich: „Worauf willst du hinaus? Wie soll dein Album klingen?“ Beck hat einen enormen musikkulturellen Background, aus dem er schöpfen kann. Ich wollte einen Blues ausprobieren, einen Popsong, mehrere Stile ausloten. Wir haben sogar einen Rap-Song versucht, der aber in der Mülltonne gelandet ist.
Ihre Karriere erlebt gerade einen kräftigen Schub.
Ich bin einfach glücklich darüber, wie sich die Dinge entwickelt haben. Ich war begeistert, „Antichrist" machen zu dürfen und auch über den Preis. Aber bereits einen Monat danach waren diese Dinge in Vergessenheit geraten. Du musst einfach weiter machen.
Sie wussten von den Schwierigkeiten, die andere Schauspieler mit Regisseur Lars von Trier hatten?
Ich war nervös, hatte aber kein Problem mit dem Skript, ich wollte bis zum Äußersten gehen. Und er war sehr hilfsbereit, er verstand es, einen zu führen. Vor dem Dreh hätte ich beinahe Catherine Deneuve angerufen, die ja neben Björk in „Dancer In The Dark" gespielt hat. Ich wollte wissen, ob ihre Erfahrungen so unangenehm waren wie die von Björk.
Ihre Eltern kannten kaum ein Tabu. Ist „Antichrist" genau der Film, mit dem man die Rebellion gegen Eltern wagen könnte?
Da ist etwas dran. Bei der Lektüre des Skripts hatte ich das Gefühl, dass meine Mutter denselben Weg eingeschlagen hatte. Ich habe wegen meiner Kinder darüber nachgedacht, ob es sie verletzen könnte, wenn ich in so einem Film mitspiele. Also dachte ich über eigene Kindheitserfahrungen nach und erkannte: Ich konnte gut damit leben, dass meine Eltern „Je t'aime… moi non plus" gedreht haben. Das hat mein Leben überhaupt nicht beeinflusst.
War Ihnen nie etwas peinlich, was Ihre Eltern gemacht haben?
Nein, überhaupt nicht. „Je t'aime… moi non plus" habe ich erst als 18-Jährige gesehen. Und ich liebte diesen Film, war keineswegs geschockt, auch nicht über den Songtext von „Lemon Incest". Das war dieser Song, den ich als 13-Jährige im Duett mit meinem Vater Serge gesungen habe. Obwohl das Stück von vielen Leuten übel aufgefasst wurde. Ich habe diese Dinge verstanden. Aber weil ich einen Vater hatte, der in meinen Augen völlig normal war, ging das in Ordnung für mich.
Michael Tschernek
„IRM“, Warner Music
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