Einer geht noch
Schwere Boots. Verwaschene Jeans. Lässiges Jackett. In dieser Aufmachung schlenderte der Mann des Abends, der Mann schlechthin, durch das Parkett auf die Bühne zu. Dabei riss er an den leeren Saiten seiner Geige - „Smells Like Teen Spirit” war das erste Stück - und nahm lächelnd den Jubel in der ausverkauften Olympiahalle hin. David Garrett, schnellster Geiger der Welt und König des Crossover, auf „Rock Symphonies” - Tournee in München.
Er wolle etwas von einem echten Rockstar spielen, sagt er zu Beginn, und meint Beethoven. Die Menge weiß schon was kommt, es ist laut. „The 5th”, ruft er trotzdem, bevor er sich Beethovens prominentes Thema zu eigen macht. Sein rechter Fuß stampft den Takt, als müsse er nicht nur die Eins im Takt, sondern auch seine Emotion trotzig verteidigen. Orchester und Band vergrößern Beethoven, er wird metallisch und ja, rockig. Nur auf den langen Tönen irritiert das Schlagzeug, das durchrhythmisiert und damit dem Thema die Wucht nimmt.
Aber das störte keinen, denn viele im Publikum würden ohne David Garrett gar nicht so etwas wie Beethoven hören, auch nicht den Bolero von Ravel oder Rachmaninows Paganini-Variation. Dafür brauchen sie ihn, den Brückenbauer zwischen Klassik und Rock, den Teufelsgeiger, der die ernste Musik von ihrer Arroganz befreien will, um sie für ein breites Publikum zu öffnen. Garrett macht vieles richtig, das bestätigen die ausverkauften Arenen und seine Fans gemischten Alters. Der 30-Jährige hat sich als Marke etabliert. Dazu zählt sein schnodderiges Outfit, eine erotische Inszenierung seiner Arrangements (halb offener Mund, geschlossene Augen) und die Nähe zum Publikum: Die wohltemperierten Details aus dem Privatleben des schmucken Mannes.
Hier sind es Pleiten, Pech und Pannen aus dem Leben des David G., die dieser in sperrigen Präsens zum Besten gibt. Es sind immer die gleichen Anekdoten, die alle über youtube abrufbar sind.
Als Entertainer bleibt Garrett selbstverliebt. Seiner lässigen Attitüde fehlt der mutige Charme, auf Zurufe reagiert er verhalten und wenn er sich ins Publikum wagt, dann nur mit einem Bodyguard.
„Hey Jude” ist die zweite und letzte Zugabe. Da hatte Garrett „Vivaldi vs Vertigo” gespielt, später „Claire de lune” und schließlich „Csárdás”. Zuletzt wiederholt er die Melodie in Flageoletttönen, auf Knien. Das ist kitschig und trotzdem zart und überrascht wie andere Momente, in denen Garrett technisch perfekt, und ernsthaft Musik macht.
- Themen:
- Ludwig van Beethoven
- Olympiahalle