Einen Priester ins Pastetchen
Nur mäßig makaber: Stephen Sondheims Horror-Musical „Sweeney Todd“ im Gärtnerplatztheater, inszeniert von Christian von Götz
Eine Stunde lang war wohl manchem Premierenbesucher im Gärtnerplatztheater der Glaube ans Gute im US-Komponisten Stephen Sondheim abhanden gekommen. Dann setzten die Pastetenbäckerin Mrs. Lovett (Marianne Larsen) und Sweeney Todd (Gary Martin) zu jenem makabren Song an, der zum Show-Stopper wurde: „A little Priest" oder, wie sich der Übersetzer Marcus Weber einfallen ließ: „Wie wäre es mit einem Kaplan?" Das Haus tobte.
Musical-Unkundige müssen wissen: Sweeney, der Barbier, saß unschuldig im Gefängnis und hat es eigentlich auf Richter Turpin abgesehen. Doch er dreht durch. Wer sich ihm den Weg stellt, fällt seinem Rasiermesser zum Opfer – und wird von der schrulligen Mrs. Lovett zur Fleischpastete verarbeitet. Dass ein Priester anders schmecken kann als ein Banker, taugt, garniert mit gefälliger Musik, nicht nur als Horror-Szenario. Es ist auch ein prächtiger Musical-Gag.
Die SS im Musical
Zuvor, und leider auch danach, gab es nur wenig zu lachen. Regisseur Christian von Götz hatte sich darauf versteift, das Stück ernster zu nehmen, als es gemeint sein mochte. Die Vertreter der Ordnungsmacht gebärdeten sich wie die SS und sahen auch so aus (Ausstattung: Karin Fritz). Polizist Bamford (Dirk Lohr) durfte sich ausgiebig von seiner unsympathischen Seite zeigen. Fies und lüstern Richter Turpin (Martin Hausberg). Er gedenkt Sweeneys Töchterchen Johanna (Thérèse Vincent) zu ehelichen. Ein Flagellant in der Robe. Nein, liebenswert ist niemand in dieser düsteren, grotesken Hinterhof-Gesellschaft. Auch wenn der Titelheld einen grauen Zopf wie Karl Lagerfeld trägt.
Marianne Larsen beherrschte als einzige den Musical-Stil. Doch gerade diese Qualitäten führten dazu, dass sie sich außerhalb des Ensembles stellte. Denn die übrigen folgten unter Zuhilfenahme von Mikroports, wodurch die Stimmen ungebührlich vergröbert erklangen, brav der Regie. Sie wollte in dem durchkomponierten Stück mehr Oper entdecken, als die Musik hergibt. Aber es hilft nichts. Sondheims Einfälle sind, dem Engagement des Dirigenten Andreas Kowalewitz zum Trotz, dünn wie eine Rasierklinge. Für hart gesottene Fans: In Zusammenarbeit mit dem BR entsteht eine CD dieser Produktion.
Volker Boser
Wieder am 27. 2., 3., 8., 9., 18., 28.3., Beginn 19.30 Uhr, Karten: Tel. 21851960