Eine zweite Chance geben

Nationaltheater: Der Schriftsteller Albert Ostermaier über die Arbeit mit Peter Eötvös bei der Oper „Die Tragödie des Teufels“
von  Abendzeitung

Nationaltheater: Der Schriftsteller Albert Ostermaier über die Arbeit mit Peter Eötvös bei der Oper „Die Tragödie des Teufels“

Früher waren neue Opern Theater-Alltag. Heute sind sie besondere Ereignisse. Für die „Tragödie des Teufels“ hat Staatsopern-Chef Nikolaus Bachler den Komponisten Peter Eötvös mit dem Münchner Schriftsteller Albert Ostermeier zusammengebracht. Ihr Ausgangspunkt ist die 1861 erschienene „Tragödie des Menschen“ des Ungarn Imre Mádach. Das Ergebnis der Zusammenarbeit ist ab Montag, 19 Uhr, im Nationaltheater zu erleben.

AZ: Herr Ostermaier, können Sie die Handlung in einem Satz zusammenfassen?

ALBERT OSTERMAIER: Die „Tragödie des Teufels“ ist der Versuch, der Menschheit eine zweite Chance zu geben, obwohl sie keine hat.

Warum fangen Sie bei Adam und Eva an?

Unsere Frage lautet: Warum scheitert es, eine menschenwürdige Gesellschaft aufzubauen? Bei der Suche nach dem Fehler wird in der Oper die Geschichte der Menschheit neu überschrieben. Am Ende trifft Adam mit Lilith zusammen. Nach jüdischen Legenden ist sie seine erste Frau, die von Gott nicht aus der Rippe, sondern aus gleichem Staub geschaffen wurde. Mann und Frau begegnen sich auf gleicher Augenhöhe. Ein Neuanfang ohne Sündenfall und Teufel wird möglich.

Ist die Beziehung zwischen Mann und Frau das große Menschheitsproblem?

Ob Mann und Frau oder Mensch und Gott: Mein Text ist eine Reflexion über Macht. Sie lässt sich kaum von Liebe trennen. Es dreht sich um die Macht des Schicksals, die Macht des Wollens oder die Macht der Musik.

Muss der Zuschauer Imre Madáchs Drama kennen?

Wer bestimmte Traditionslinien und Anspielungen kennt, sieht natürlich mehr. Aber letztlich ist das nicht wichtig. Literatur muss ohne Vorkenntnisse funktionieren.

Was blieb von Madách übrig?

Die faustische Konstellation aus Adam, Eva und Teufel. Madáchs „Tragödie des Menschen“ ist ein Lesedrama. Peter Eötvös und ich wollten Action reinbringen: Ich habe meinen Text durch innere und äußere Konflikte der Figuren stärker auf das Gestische hin geschrieben.

Wie hat sich der Text im Lauf der Zusammenarbeit verändert?

Eötvös wollte, dass kein Satz ohne Konsequenz für die Komposition bleibt. Nur was den Gedanken in eine Geste übersetzt, hat auf der Opernbühne eine Chance. Den philosophischen und rhetorischen Anteil der ersten Fassungen haben wir immer schärfer zugespitzt.

Wie muss man sich Ihre gemeinsame Arbeit vorstellen?

Manchmal war aus musikalischen Gründen zu wenig Text da. Ich fand es spannend, dem dann inhaltlich eine neue Volte zu geben. Am Ende haben wir geskypt und per Videotelefon gegenseitig auf die Schreibtische geschaut. Das funktionierte, weil wir uns oft getroffen und viele Varianten gemeinsam ausprobiert haben. Eötvös hat mir viel vorgesungen.

Wie war Ihr persönlicher Zugang zur Oper?

Bald nach dem Abitur leitete ich einen Poesie-Workshop beim Bayreuther Jugendfestspieltreffen. Das eigentliche Honorar waren Karten für den „Ring des Nibelungen“: Das war meine Opern-Initiation. Später hat mich Heiner Müllers „Tristan“-Inszenierung fasziniert. Wenn in der Oper Musik und Darsteller als Theater zusammenkommen, ist es für mich ein Erlebnis.

Wird man reich als Opernlibrettist?

Im Verhältnis zur Lyrik schon, aber das gilt für jede Tätigkeit. Ich lebe als Autor weitgehend vom Theater. Für die „Tragödie des Teufels“ gibt es ein gutes Honorar. Auch eine zweite Inszenierung zeichnet sich bereits ab.

Waren Sie bei den Proben?

Weniger als ich wollte. In meiner Zeit als Hausautor des Burgtheaters war ich ständig bei Proben. Es war eine schöne Zeit, aber aus dieser Erfahrung wollte ich diesmal loslassen. Ohnehin kommt es bei jeder Theaterarbeit zu einer Krise. Wenn der Autor noch lebt, wird er dann sicher angerufen.

Robert Braunmüller

Premiere am 22. 2., 19 Uhr, Restkarten vorhanden

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