Eine verblüffende Mischung aus Leichtigkeit und spiritueller Tiefe
Charles Lloyd spielt mit seinem Quartet ein beglückendes Konzert in der Muffathalle
Um es gleich vorwegzunehmen: Der amerikanische Tenor-Saxofonist Charles Lloyd hat ein Konzert gegeben, das keiner der Anwesenden so schnell vergessen wird. Als um kurz vor 23 Uhr in der gut besetzten Muffathalle die Lichter wieder angingen, waren nur verzückte Gesichter auszumachen, Menschen, die wie auf Wolken dem Ausgang entgegen schwebten.
Seit sich der heute 72–jährige Lloyd in den wilden Sechzigern selbständig machte, hat er uns immer wieder Musiker vorgestellt, die tiefe Spuren in der Jazzgeschichte hinterlassen sollten: Keith Jarrett und Jack DeJohnette etablierten sich in seinem ersten Quartett. Und als ihn der blutjunge Pianist Michel Petrucciani in den frühen 1980ern überredete, seine Schaffenspause zu beenden, führte er ihn zum Dank in die Szene ein.
Musiker, die sich ihren Platz in der Historie der improvisierten Musik sichern werden
Heute hat Charles Lloyd wieder Musiker um sich geschart, die sich ihren Platz in der Historie der improvisierten Musik sichern werden, drei hochexpressive Stilisten, die mit einem immensen Gestaltungs-Repertoire aufwarten und um keine Dynamik-Nuance verlegen sind. Mit Jason Moran, der gerade den mit 500000 Dollar dotierten MacArthur Genius Award zugesprochen bekam, am Piano, Reuben Rogers am Bass und Eric Harland, Schlagzeug, versteht sich der bisweilen auch aufs hölzerne Tárogató wechselnde Saxofonist telepathisch.
Es ist unglaublich, was sich in den wellenartig verlaufenden Stücken abspielt, die eben noch fragil und dann so zupackend sind, die so ätherisch wie bodennah sein können und gleichzeitig auf verschiedenen Zeitebenen zu verlaufen scheinen. Gospelgetränktes, Bebop, Blues, Lateinamerikanisches – mit einer verblüffenden Mischung aus Leichtigkeit und spiritueller Tiefe spielen die vier Charismatiker mit Versatzstücken und Erwartungshaltungen. Das macht ihnen so keiner nach.
Ssirus W. Pakzad
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